Vadyanshuf – Das Tal der Eule

Wenn ich unsere Zeit auf der vierten Farm mit fünf Worten umschreiben müsste, dann wären das: Grün, Sprossen, Unkrautjäten, Witze und Arak.

Im Tal der Eule stehen an die zweihundert Olivenbäume, mehrere Obst- und Mandelbäume, ein großer Hühnerstall, ein Pferd, zwei Esel, ein Verkaufswagen, fünf Bienenstöcke, Lavendel- und Brombeerhecken sowie mehrere große und kleine Gebäude. Der Biohof von Dani und Tal liegt etwa zehn Kilometer von Rosh Pina entfernt, einer Stadt im Oberen Galiläa, und heißt Vadyanshuf. Während im Sommer die Bäume bewässert werden müssen, genügte der diesjährige Winterregen aus, um alles in sattem Grün erstrahlen zu lassen. Die Wiesenblumen blühten und die Bäume begannen auszutreiben. Im Sommer sieht es dort wohl trotz Bewässerung deutlich trockener aus. Am Ende der zweieinhalb Wochen, die wir in Vadyanshuf verbringen durften, blühte die gesamte Farm – ein Farbspektakel – und zugleich ließ es uns erahnen, wie reich die Farm im Sommer mit Obst gesegnet sein dürfte. Vadyanshuf war während unserer Zeit dort ein wahres Frühlingstal.

Mandelbaum in voller Blüte

Zu den Produkten der Farm zählten u.a. eingelegte Oliven sowie Olivenöl aus unterschiedlichen Olivensorten, Honig, Marmeladen, Za‘atar und Sprossen. Za‘atar ist eine typische Gewürzmischung der arabischen Küche und besteht überwiegend aus einer wilden Thymianart mit dem Namen Za‘atar. Kleiner Randinfo: Gerichte werden hier nach ihrer Hauptzutat benannt, wie bei ebenjenem Za’atar oder bei Hummus („Kichererbse“). Zum wilden Thymian dazu gemischt werden z.B. Salz und gerösteter Sesam, aber auch hier scheint wie beim Hummus jede Familie ihr eigenes Geheimrezept zu haben. Geschmacklich erinnert Za‘atar an Oregano und passt hervorragend zu Pizza, Nudeln oder Labaneh, einer frischkäseähnlichen, leicht säuerlichen Milchspezialität. Kürzlich hatten die Farmbesitzer eine Konzession erhalten, sodass sie Anfang März mit dem Verkauf ihrer Produkte vor Ort beginnen wollen. Bisher fuhren sie mit einem Verkaufsanhänger zu Märkten, Festivals oder Geschäften, um dort die Lebensmittel sowie kleine Gerichte zu verkaufen.

Eingelegte Oliven – eines der Produkte der Farm Vadyanshuf

Am ertragreichsten ist für die Farm derzeit der Verkauf von Sprossen, und damit wären wir beim zweiten Begriff, den ich mit Vadyanshuf verbinde. Die Samen und Kerne von z.B. Sonnenblumen, Kresse, Mungobohnen, Linsen, Radieschen oder Brokkoli, werden von einem Biohof in Italien bezogen und vor Ort innerhalb weniger Tage in hohen Regalen unter automatisierter Bewässerung und Belichtung zum Keimen gebracht. Sonntags und montags werden die Keimlinge bzw. Sprossen „geerntet“, gewaschen und in kompostierbare, durchsichtige Tüten aus Maisstärke verpackt. Montags und dienstags erfolgt dann der Transport zu den Verkaufsstellen, sogar bis ins 160 km entfernte Tel Aviv. Beim Ernten, Waschen und Verpacken der Sprossen haben Krischan und ich sonntags und montags zu je sechs Stunden fleißig unterstützt. An den anderen Tagen haben wir im Food Forest um die Jungbäume herum Unkraut entfernt und den Schnitt gesammelt. In der zweiten Woche haben wir einen Maschendrahtzaun von dichtem Unkraut befreit und den dort vor ein paar Jahren gepflanzten Brombeeren gleichzeitig Luft und Licht verschafft. Als das erledigt war, machten wir uns über wunderschön zwischen zahlreichen Feigenbäumen angelegte Lavendelhecken her und befreiten auch sie von Unkraut. Die Arbeit hat Spaß gemacht, konnten wir doch am Ende des Tages das Ergebnis sehen. Zudem schien während des Großteils unserer Zeit dort die Sonne und es wurde tagsüber so  warm, dass wir in T-Shirts arbeiteten und Sonnencreme brauchten.

Selbstgezogenen Sprossenmix gab es regelmäßig zum Essen dazu

Wir hatten, da wir das Auto von Tals Sohn Shem nutzen durften, vielseitige Freizeitmöglichkeiten. An unserem ersten freien Samstag fuhren wir Richtung Norden in die Golanhöhen, um eine der Schluchten, die der Fluss Banias über die Jahrtausende in die Landschaft gezogen hatte, zu besichtigen. Krischan war bei seiner Studienreise in der 12. Klasse am Banias gewesen und wünschte sich, die Gegend erneut zu erkunden. Bei Naturerkundungen bin ich natürlich immer sofort dabei! Wir entschieden uns aus Kosten- und Menschenmengengründen gegen den Besuch des Banias Nationalparks und suchten uns stattdessen bei Google Maps eine andere, scheinbar gut zugängliche Stelle des Flusses heraus. Wir parkten in Snir, einem Ort in der Nähe des Kibbutz Dan, und folgten einem Pfad in Richtung Banias. Die Schlucht, die sich uns darbot, war beeindruckend. Auf der anderen Seite des Tales sahen wir den Fluss Nahal, der sich über eine Kante etwa 50 m in die Tiefe stürzte. Zugänglich war dieser Wasserfall ohne Weiteres leider nicht, weshalb wir uns darauf konzentrierten die örtliche Sehenswürdigkeit, einen Panzer, zu finden. Einige Höhenmeter die Schlucht hinab trafen wir schließlich auf einen rauschenden, klaren Banias. Das Wasser hat sich über die Jahre hinweg durch Basalt gefressen und entsprechend steil und unzugänglich erschien die Schlucht zur anderen Seite. Nach einer Weile fanden wir auch den Panzer, der auf dem Kopf halb im Fluss liegend offenbar ein bei der Bevölkerung beliebtes Freizeitziel darstellt. Da Shabbat war, picknickte eine etwa 12-köpfige Familie auf der Unterseite des syrischen Panzers, der aus dem Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967 stammt. Der Sechs-Tage-Krieg stellt einen der bedeutendsten Höhepunkte des bis heute andauernden israelisch-arabischen Konfliktes dar. Nach einem Angriff Israels auf Luftstützpunkte Ägyptens, Jordaniens und Syriens nahm Israel in anschließenden Bodenangriffen den Gaza-Streifen (vormals Ägypten), die Golanhöhen (Syrien), Ost-Jerusalem sowie das Westjordanland (Jordanien) ein. Damals wurde der Grundstein für die noch heute andauernden Konflikte gelegt.

Syrischer Panzer aus dem Sechstagekrieg, am Ufer des Banias in der Nähe des Kibbutz Snir

Weitere Shabbat- und Feierabendausflüge führten uns in das Hula-Tal, das aufgrund großer Wasserflächen eine beliebte Zwischenstation für Zugvögel auf der Nord-Süd-Route darstellt. Wir konnten dort aus der Nähe und in der Ferne unterschiedlichste Tiere beobachten, wie z.B. Nutrias, Schildkröten, Katzenfische, Kraniche und zahlreiche Entenarten.

Ein ausgewachsenes Nutria mit Babies – Funfact: Nutrias haben ihre Zitzen auf dem Rücken, damit die Kleinen auch im Wasser schwimmend gesäugt werden können

An einem Nachmittag fuhren wir nach Safed, der höchstgelegenen Stadt Israels, die bekannt ist für ihre schöne Altstadt mit Pflastersteinstraßen und blau bemalten Fenstern und Türen sowie vielen Kunstgallerien. Leider war uns das Wetter, wie so oft bei unseren Städtetrips, nicht gut gesonnen – im wahrsten Sinne des Wortes – und es regnete in Strömen als wir ankamen, was die Temperaturen deutlich fallen ließ. Die Höhenlage des Ortes trug das Seine dazu bei. Unsere Erkundung konnten wir zwar trockenen Hauptes, aber nicht trockenen Fußes durchführen. Aber wir ließen uns die Laune nicht verderben, schauten uns die Altstadt an, genossen eine jemenitische Spezialität, die viel Käse enthielt, probierten eine Pizza, die am Ende erst mit salziger Gewürzmischung ihr „Potenzial“ entfalten konnte. Witzigerweise trafen wir zufällig Pessach in den Straßen Safeds, der mit uns auf der Ziegenfarm als Freiwilliger gearbeitet hatte. Er war nach wie vor auf der Ziegenfarm und er sagte, es sei nach wie vor harte und endlos viel Arbeit, aber er schien sich damit zu arrangieren.

Blick in eine der zahlreichen Gallerien Safeds
Die verwinkelten Straßen Safeds waren schön, aber abseits der einen touristischen Pflasterstraße hat die Stadt eher Ruinen und heruntergekommene Häuser zu bieten

An einem Sonntagabend nahm Shem, ehemals Musiker in den Straßen Tel Avivs, uns mit in eine Bar im Kibbutz Amir, wo er an einer Jam-Session teilnahm. Das war ein wunderbar interessanter und musikalischer Abend. Die Musiker auf der Bühne rotierten unerlässlich, sodass die Zusammensetzung und entsprechend der Stil etwa alle halbe Stunde wechselten – es wurde nicht langweilig. Das Klientel der Bar war zu 95 % der alternativen Szene zuzuordnen, denn Dreadlocks und Batikshirts waren dominant ebenso wie Joints, wobei letztere in Israel zum Feierabendritual zu gehören scheinen. Der süßliche Qualm zieht am Wochenende durch alle Straßen Tel Avivs und Haifas und wurde bisher in allen Farmen, die wir besuchten, wenn auch nicht übermäßig, konsumiert. Als Gründe werden oftmals die allzeit angespannte Lage Israels, mal der verpflichtende Militärdienst, die unklare Situation mit der Regierung oder all die anderen Kräfte, die rechts und links an Israel zerren, angeführt: die Gründe derer allerlei, man könnte meinen, es seien Ausreden. Aber belassen wir es dabei.

Mehr Israel in einem Bild geht fast gar nicht: Israelische Fahne hinter einem Olivenbaum

Damit wären wir aber auch beim vierten Begriff, den Witzen. Shem reißt Witze am laufenden Band, so auch auf der Rückfahrt von der Bar, als ich mich zu Beginn des Abends hatte breit schlagen lassen, später am Abend zurück zur Farm zu fahren. Dreißig Minuten ein angeheiterter Shem auf dem Beifahrersitz und ich kann endlich (liebe Grüße an Sani an dieser Stelle 😉) eine ganze Bandbreite an unangebrachten rassistischen und sexistischen Witzen erzählen (bis ich wieder in Deutschland bin, habe ich sie sicher alle wieder vergessen). Shems Art und Weise hat definitiv unseren Aufenthalt auf der Farm geprägt. Er hat uns auch das erste Mal mit Arak in Berührung gebracht, als wir abends mit Gitarre und zahlreichen Diskussions- und Gesprächsthemen im Gepäck vor einem Lagerfeuer vor unserem Wohncontainer saßen. Arak ist ein Anisschnaps, der sich geschmacklich und umdrehungstechnisch nicht von Ouzo oder Raki unterscheidet. Für Lakritzliebhaber wie uns also durchaus annehmbar.

Blick von der Terrasse unseres Wohncontainers in den Garten mit Outdoor-Duschwanne und Feuerstelle

Die etwas mehr als zwei Wochen bei Tal und Dani waren eine unvergessliche Zeit und ich hoffe, dass wir vor unserer geplanten Abreise Ende Juni noch einmal herkommen können.

Bei einer unserer Erkundungstouren um die Farm herum entdeckten wir ein wunderschönes Tal mit Eukalyptusbäumen, sahen Füchse und Wildschweine und verliefen uns gnadenlos

Für weitere Infos zur Farm: www.vadyanshuf.co.il

„Die erste Farm“ oder „Eine Reise ins Unbekannte“

Bei der Planung unserer Anreise von Tel Aviv zu unserer ersten Farm fiel uns die Lage des Ortes sofort ins Auge: auf Google Maps liegt Sha’arei Tikva hinter der Grünen Linie und somit im offiziell als Westjordanland bezeichneten palästinensischen Gebiet. Da unsere Gastgeber hebräische Namen hatten, war uns nicht ganz klar, auf was wir uns dort einlassen würden: sind unsere Gastgeber sogenannte „Siedler“? Also Israelis, die illegal aber unter staatlicher Duldung palästinensisches Land bebauen und bewirtschaften? Wie würde es sich für uns anfühlen in einer Siedlung zu leben, in der möglicherweise die Überzeugung herrscht, dass das gesamte Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer den jüdischen Israelis, und nicht etwa den dort möglicherweise zuvor ansässigen arabischen Palästinensern gehört?

An dieser Stelle ist vielleicht bereits zu erahnen, dass der israelisch-palästinensische Konflikt hier vor Ort plötzlich nichts Abstraktes mehr ist. Er ist real und allgegenwärtig. Eine Reise nach Israel kann man nicht unternehmen und weiterhin so tun, als „hätte man mit Politik eigentlich nichts am Hut“. Mit einem Mal sind Themen an der Tagesordnung, die ich in Deutschland meist weit von mir weg schieben konnte, zugehörigen Ausreden derer gab es viele: von zu viel Arbeit im Alltag, keine Zeit die Nachrichten zu verfolgen, „Betrifft mich ja nicht direkt.“ bis hin zu „Es gibt im Moment Wichtigeres.“. Abgesehen davon, dass dieser über Jahrzehnte andauernde Konflikt inzwischen so viele neue Facetten und Verwicklungen hinzugewonnen hat, was es schwierig macht, in den Kategorien falsch oder richtig zu denken.

2014 errichteter Grenzzaun zwischen israelischem Staatsgebiet und palästinensischem Autonomiegebiet

Wo sind wir hier?

Trotz der Unklarheiten entschieden wir uns dafür, nach Sha’arei Tikva zu fahren. Mit dem Bus passierten wir keinen Checkpoint, obwohl die Grenzlinie auf Google Maps solches hatte vermuten lassen. Aber uns stach eines sofort ins Auge: entlang der Autobahn schlängelte sich ein 100 bis 200 Meter breiter Grenzstreifen, der mehrfach durch unüberwindbar hohen Stacheldraht abgesichert war. Wo sind wir hier?, fragten wir uns. Unsere Gastgeber würden uns aufklären, aber dazu später mehr.

Unsere Gastgeber empfingen uns herzlich, ebenso wie zwei andere Freiwillige, die am Vortag angereist waren. Der erste Eindruck, da sind wir ganz ehrlich, war gemischt. Für die Freiwilligen gibt es im Keller des Hauses ein gemeinsames Zimmer mit zwei Einzel- und einem französischen Bett, dazu einen Gemeinschaftsraum mit Küche und ein Badezimmer. Der „Schlafsaal“ hat keine Fenster, während alle anderen Räume liegen zur Nordseite und bekommen somit zumindest etwas Tageslicht ab. Die Räume wirkten im ersten Moment kahl und etwas lieblos, zudem gab es keine Heizung und die erste Nacht froren wir wie Schlosshunde (ich war froh, meine eigene Heizung namens „Krischan“ mitgebracht zu haben 😉). Zum Kochen gibt es einen Gasherd, aber lediglich einen kleinen Topf, dazu einen Wasserkocher und einen Mini-Backofen. Die ersten Tage teilten wir uns die Räumlichkeiten mit den zwei anderen Freiwilligen, zwei junge Abiturienten aus Deutschland. Wir gingen abends nach der Arbeit zusammen im örtlichen Supermarkt einkaufen und kochten zusammen – die zwei waren nett, aber wirklich warm wurden wir nicht miteinander, was sicherlich auch den Gesamtumständen geschuldet war. Nach fünf Tagen reisten die zwei aber sowieso weiter zu ihrer nächsten Station, was für uns einen deutlichen Gewinn an Privatsphäre und eine Akklimatisation in unserem Tempo erlaubte. Auf neue Lebensumstände kann man sich gedanklich zwar ein bisschen vorbereiten, aber wenn man drinsteckt, ist es eben doch nochmal was anderes.

Das Haus liegt an einem Hang, oben gibt es einen zwischen hohen Palmen, Mandarinenbäumen und anderen Büschen und Bäumen versteckten, ebenerdigen Eingang zur Wohnung unserer Gastgeber. Links vom Haus führt eine Treppe nach unten zum ebenerdigen Eingang zur zweiten Wohnung, in der sich neben den Räumlichkeiten für die Freiwilligen ein Gästezimmer und ein Behandlungsraum für Gemmas Heiltherapien befinden. Wenn wir aus unserer Wohnung treten, befinden wir direkt im Garten. Hier stehen wunderschöne Zitronen-, Pomelo-, Feigen-, Oliven- und Granatapfelbäume, es gibt eine Hängematte und einen Pool, der zurzeit allerdings viel zu kalt ist, um ihn zu benutzen. Darüber hinaus haben sich unsere Gastgeber vergangenes Jahr einen Hühnerstall gebaut und halten sich eine Handvoll Hühner, die vermutlich ab März, entsprechend ihres natürlichen Zyklus, wieder Eier legen werden. Hinter dem Haus liegen etwa 300 Meter öffentliches Land, das an dem dem Haus gegenüberliegenden Ende durch den – da ist er wieder – Grenzstreifen vom dahinterliegenden palästinensischen Gebiet getrennt ist. Wo sind wir hier eigentlich? Unsere Gastgeber klären uns über Sha’arei Tikva auf: es handelt sich um eine bereits mehrere Jahre alte, illegale Siedlung auf palästinensischem Gebiet, die im Zuge des Grenzzaunbaus Netanyahus de facto in israelisches Staatsgebiet einverleibt wurde. Unsere Gastgeber haben sich vor etwa zwei Jahren dazu entschieden, das Haus mitsamt des zugehörigen Gartens zu mieten und die außergewöhnliche Lage der Farm zu nutzen, um langsam, aber stetig Kontakt zu Familien und Anwohnern auf der anderen Seite des Zauns aufzubauen und gemeinsam einen Food Forest „über den Zaun hinweg“ aufzubauen – mit dem Ziel durch unmittelbaren Kontakt ein Zeichen des Friedens und ein Netzwerk des Austauschs aufzubauen. Ein Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, so sagten sie selbst, erscheint ihnen nur möglich, wenn die Menschen Beziehungen zueinander aufbauen und im Kleinen nach und nach jahrzehntealte Vorurteile abbauen können. Zu einem solchen Vorhaben, so habe ich hier inzwischen gelernt, gehören eine große Portion Mut, Ausdauer und vor allem aber Offenheit und ein großes Herz.

Das öffentliche Land zwischen dem Haus und dem Grenzzaun steht voll mit Olivenbäumen. Die Bäume gehören palästinensischen Familien, die vom israelischen Staat eine Sondergenehmigung bekommen, um nach Israel einreisen zu dürfen, um die Oliven zu ernten. Somit ist die israelische Regierung den Palästinensern zumindest dahingehend entgegengekommen.

Tierische Hofbewohner: Katzen und Hühner

Unser Arbeits“alltag“

Von einem Alltag können wir hier eigentlich nicht so recht sprechen. Das Einzige, das jeden Tag gleich ist, ist dass wir unsere Arbeit um 7.30 Uhr beginnen. Meist starteten wir mit Instandhaltung und einer kurzen Besprechung des Tagesablaufs (so manches Mal ergänzt um eine halbstündige Meditation, geleitet durch einen der beiden). Bei der Instandhaltung fegen wir die Bereiche um das Haus und den Pool herum und befreien alles von heruntergefallenen Blättern und Früchten (die Oliven und Granatäpfel waren vor einigen Wochen erntereif, derer aber auch äußerst zahlreich vertreten, sodass unsere Gastgeber gar nicht mehr wussten, wohin damit) und bringen in die ein oder andere Ecke etwas mehr Ordnung, wobei wir hier selbst entscheiden können, worauf wir unseren Fokus legen. An einem Tag haben wir beispielsweise große Steinplatten im Garten von Erde und altem Laub befreit und damit deutlich mehr begehbaren Weg geschaffen.

Sonntags, dienstags und donnerstags machen wir gemeinsam mit unseren Gastgebern von etwa 8.30 bis 10.00 Uhr Yoga, was eine wunderschöne morgendliche Routine darstellt – insbesondere nachdem man schon für etwa 45 Minuten draußen gearbeitet hat. In Deutschland hatte ich mir immer vorgenommen, eine kurze Yogasequenz in meine „Morgenroutine“, wie es auf Insta-Deutsch so gerne genannt wird, einzubauen, bin aber kläglich an meinem inneren Schweinehund gescheitert und regelmäßig viel zu spät zu Bett gegangen. Abgesehen davon, dass ich mich morgens noch vollkommen unbeweglich und steif und überhaupt nicht wie ein Yogi fühle. Nach der ersten Woche kamen dann noch montags und mittwochs, wenn auch unregelmäßig, Zumba-Stunden von Krischan hinzu – herrlich! Gute-Laune-Musik, Tanzen und fröhliche Menschen, denn Zumba macht gute Laune, am Morgen würde ich wirklich gerne in meinen Alltag einbauen!

Anschließend beginnen wir wieder mit der Arbeit. Da für den Gemüseanbau Beete angelegt werden, haben wir in den ersten Tagen Erde abgebaut, von größeren Steinen befreit und in ein mit einer niedrigen Steinmauer umrissenes Beet geschafft. Später holten wir den Großteil der Erde für das Beet aus einer gut begehbaren Höhle, deren Boden sowieso ein paar Zentimeter tiefer gelegt werden sollte. In der zweiten Woche machten wir uns daran, den Hühnerstall mit einem Regenschutz zu versehen, gründlich auszumisten, mit Draht gegen grabende Eindringlinge zu verstärken und die Innenausstattung vielfältiger zu gestalten. Jetzt schlafen die Hühner im Trockenen und auf einer Stange – und natürlich schlafen alle eng gedrängt auf einer einzigen Stange, obwohl mehrere zur Verfügung stünden – und Eindringlinge haben keine Chance mehr. Auf das Ergebnis der Arbeit waren wir äußerst stolz und es hat uns ein paar Überstunden eingebracht, die wir später abfeiern durften.

Hühnerstall vor dem Umbau

Die dritte und größte Aufgabe besteht im Vergrößern der oben erwähnten Höhle. Sie liegt direkt unterhalb des Grundstücks auf dem öffentlichen Gelände, wird von unseren Gastgebern aber für Meditationen, Sitzkreise, Workshops und vieles mehr genutzt. Als wir ankamen, konnte man gerade so in der Mitte der Höhle stehen. Inzwischen haben wir teilweise bis zu 80 Zentimeter an Höhe gewonnen und dafür Unmengen an Steinen und Eimern an Erde herausgetragen. Bis zu unserer Abreise wollen wir eine neue Steintreppe gebaut und alles eingeebnet haben, sodass unsere Gastgeber die Höhle wieder für ihre Workshops anbieten können. Es ist schwere körperliche Arbeit, die Krischan und ich zum Großteil alleine bewältigt haben, aber äußerst genießen. In unserer dritten Woche hier hat es fast durchgängig stark geregnet, sodass wir in unsere Wohnung verbannt waren. Wir nutzten die Zeit für Recherchen über Organisationen für mögliche Kooperationen und Unterstützung für die Vorhaben unserer Gastgeber und bastelten Kinderspielzeug und Dekoration für die Kindertagesstätte, die hier aufgebaut werden soll. Aber uns fiel die Decke alsbald auf den Kopf, wollten wir doch gerade weg von der Arbeit im Sitzen am PC in Innenräumen. Umso mehr haben wir uns über Regenpausen gefreut, in denen wir uns trotz tropfender Höhlendecke mit Hacke und Schaufel austoben konnten. Seit einigen Tagen ist das Wetter wieder sonnig und trocken, sodass wir tagsüber im T-Shirt arbeiten können und die Gesichter langsam Farbe bekommen. Unser Gastgeber bezeichnete uns schon als lizards, zu Deutsch Echsen, da wir JEDE Möglichkeit nutzen, um Sonne zu tanken: Frühstück in der Sonne. Mittagessen in der Sonne. Kaffee- oder Teepause: ab in die Sonne! Wie habe ich das vermisst! Es tut mir wirklich leid, das an dieser Stelle sagen zu müssen, aber ein derart sonnenarmer Ort wie Clausthal wird mich so schnell nicht wiedersehen!

Neben der körperlichen Arbeit konnten wir beide unser Hobby, die Fotografie, zum Einsatz bringen. Wir hatten im Vorfeld überlegt, welche Fertigkeiten wir unseren jeweiligen Gastgebern anbieten könnten, denn handwerklich bringen wir vielleicht Geschick, aber keine gelernte Fertigkeit mit. Somit boten wir den beiden an, Fotos von der Farm zu machen, damit sie diese für ihre Webseiten und Facebook-Pages verwenden können. Schließlich machten wir an zwei Tagen ausführliche Fotoshootings mit den beiden und einer ihrer Freundinnen. Wir hatten dabei alle sehr viel Spaß und sind mit den Fotos zufrieden.

Hobbyfotograf beim Werk, hier: in Akko

Die Ernährungsumstellung

Seit wir hier sind ernähren wir uns fast ausschließlich vegan. Zu Beginn mehr aus Notwendigkeit heraus, inzwischen aber haben wir die pflanzenbasierte Ernährung sehr zu schätzen gelernt! Einerseits sind verarbeitete Lebensmittel äußerst teuer in Israel und zum anderen hatten wir in den ersten zwei Wochen hier auf dieser Farm keinen Kühlschrank, sodass wir uns im Supermarkt lediglich Pitabrot, Linsen, Reis, Gemüse und Tee kauften sowie Tahin (Sesampaste) und Hummus, damit das Essen nicht zu trocken ausfällt, abgesehen davon, dass Hummus und Tahin traumhaft schmecken! Wir sind inzwischen reich an selbst kreierten, kreativen, leckeren und gemüsereichen Gerichten. Auch unsere Gastgeber ernähren sich vegetarisch und kochen für uns äußerst Abwechslungsreiches zum Frühstück und zum Mittagessen. Bei unseren Ausflügen nach Tel Aviv und Akko hätten wir immer die Möglichkeit gehabt, auch Fleisch zu konsumieren, aber die fleischlosen Alternativen sprechen uns einfach mehr an! Aus dem Garten beziehen wir Zitronen, Pomelos und Zitronengras.

Und wir so?

Die Frage, wie es uns mit unserer Entscheidung nach Israel zu gehen geht, kam nun schon öfter. Kurz beantwortet: ja, es ist eine Umstellung. Etwas ausführlicher gesagt: es ist eine größere Umstellung, als wir erwartet hatten. Die gewohnte Umgebung, aber auch die gewohnten Tätigkeiten und Freizeitbeschäftigungen sind weggefallen und wollen hier hinterfragt und eventuell ersetzt werden. Unwiederbringlich tun sich da die Fragen auf, wer wir eigentlich sind, was uns ausmacht und was uns wichtig ist. Darüber hinaus führt bei mir der Wegfall der alten Gewohnheiten zu Unsicherheit und innerer Unruhe – und das sage ich, die schon mehrfach für mehrere Monate im Ausland war, häufig umgezogen ist und sich immer wieder (gerne) ins kalte Wasser geworfen hat. Irgendwie war da in den vergangenen sechs Jahren in Clausthal wohl doch mehr Routine in mein Leben eingekehrt, als mir bewusst war. Und umso wohltuender sind die Veränderungen und damit einhergehenden Lernkurven. Nun ist fast ein Monat vergangen, seit wir in Tel Aviv gelandet sind. Wir sind uns selbst und unseren Bedürfnissen ein gutes Stück nähergekommen, durften viel über uns lernen und können ein vielseitigeres „Wir“ aufbauen. Unsere Gastgeber sind uns hier sicherlich auch eine Hilfe, denn die zwei sind äußerst selbstreflektierte, umsichtige und aufgeschlossene Gesprächspartner.

Leider brechen wir hier in wenigen Tagen unsere Zelte ab und machen uns auf zu einer anderen Farm weiter im Norden Israels, freuen uns aber, in unseren Gastgebern gute Freunde gefunden zu haben. Hoffentlich kommen wir bald zurück!

Die Namen unserer Gastgeber veröffentlichen wir aus privaten Gründen an dieser Stelle nicht.

Only 18 days left! (and still so much to organize)

Beginning of January we will be sitting on a plane to Tel Aviv to WWOOF for six months on different farms – and neither do I feel well-prepared nor have I had a chance to even think about what to expect. Priority number one in the past couple of months has been to finalize my PhD thesis.

However, step-by-step, Krischan and I managed to organize the most important bits, such as travel insurance, passports, Visa application forms – and booking a flight. One of our apartments is packed up and the other one is keeping us on the go. Some furniture still needs to be sold, daily items to be packed, walls to be painted – and Christmas with families spread over almost the entire length of Germany still needs to be celebrated. Does sound like a tight schedule? It sure is!

Our list of important documents for the visa application is finally completely checked off (credits to Krischan for being well-organized)