Das Reisen im Land

Nachdem wir nun die ein oder andere Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück gelegt haben, kann ich das ein oder andere zum israelischen Nah- und Fernverkehr sagen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man ankommt. Meistens sogar recht pünktlich. Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass es einen wirklich großen Unterschied macht, ob man Bus oder Bahn fährt. Vielmehr fand ich die Busfahrten angenehm, da sie den gleichen Komfort bieten wie Züge (ja, WLAN und USB-Ladeports) und trotzdem ähnlich lange aber zu einem günstigeren Preis fahren.

Während ich diese Zeilen schreibe, fährt der Bus in einen Stau, der sich in den nächsten zwei Stunden nicht auflösen würde – und der restliche Tag würde mich auch lehren, was es wirklich heisst, mit den „Öffis“ unterwegs zu sein. Nämlich, dass reisen auch in Zeiten von WLAN, USB-Ladeports, Apps und GPS auch immer noch spannend sein kann. Das war am 02. Februar – seitdem hat sich meine Ansicht über das israelische Transportwesen zwar nicht grundsätzlich geändert, aber: Aber es gibt ein paar neue Anekdoten, die ich erzählen kann. Aber ich habe viel mehr Gelassenheit gelernt. Aber irgendwie funktioniert es dann doch ganz gut.

Aber von vorne:

Der Tag, an dem ich den Beitrag ursprünglich im Bus schreiben wollte, war der Tag, an dem wir von der ersten Farm zur zweiten Farm fahren. Natürlich und standesgmäß mit dem Bus. Eine Zwischenstation machen wir in einer Stadt namens Bnei Brak, um unsere Volunteer-Visa zu bekommen. Das ist aber noch mal eine ganz andere Geschichte… Von Bnei Brak wollen wir dann in den Norden des Landes fahren, nach Galiläa. Dort müssen wir bis 18:00 Uhr sein, da die neuen Gastgeber einen Termin am Abend haben. Die Fahrt soll je nach Verbindung zwei bis zweieinhalb Stunden dauern. Da wir als Abfahrtszeit etwa 14:00 Uhr anpeilen, sollte das ja auch kein Problem sein.

Denkste!

An den Bushaltestellen steht man in der Regel nicht alleine.

Der Betrieb des favorisierten Bus‘ sei geändert, das zeigt auch die Reise-App „Moovit“ bereits an. Wir sind uns nicht sicher, ob es mit der Baustelle zu tun hat, die wir unweit der Haltestelle sehen und gehen eine Haltestelle weiter. Dort kommt eben der Bus aber trotzdem nicht und so suchen wir uns aus den Vorschlägen der App eine Alternative. Diese kommt zwar, aber die Reiselust ist auch nur von kurzer Dauer, denn nach zwei Haltestellen stottert der Motor und das Gefährt kommt zum Stehen. Da kaum einer Englisch spricht, gestikuliert sich Franzi durch die Situation – und während sie noch mit einer Gruppe orthodoxer Jugendlicher versucht zu klären, was der Stand der Dinge ist, sieht sie den Bus den wir ursprünglich nehmen wollten. Mit viel Gewinke kriegt sie ihn zum Stehen und so können wir die Fahrt zwar mit einiger Verspätung aber zumindest von der Strecke her wie geplant fortsetzen.

Nach dem morgendlichen Stau und den motorbedingten Schwierigkeiten dauert die Fahrt nun schon eine ganze Weile. An die Gastgeber wurde kommuniziert, dass es immer später wird. Noch jedoch haben wir das Gefühl, dass wir, wenn auch knapp, so doch aber noch vor der anvisierten Deadline ankommen werden. Noch vor der nächsten Möglichkeit zum Umsteigen fährt der Bus auf offener Strecke allerdings rechts ran. Ein Blick durch den Bus offenbart, dass wir die letzten Fahrgäste sind. Der Busfahrer erklärt im gebrochenen Englisch, dass er eine 12-Stunden-Schicht hatte und er jetzt keinen Meter mehr fahren werde. Es sei ein Ersatzfahrer angefordert aber er wisse auch nicht, wann der genau kommen werde… So jedenfalls schaffen wir es nicht bis 18:00 Uhr zum Ziel. Wir verständigen die Gastgeber und fahren von unserem Standort aus mit drei weiteren Bussen nach Haifa, wo wir die Nacht verbringen und am nächsten Tag ohne größere Hindernisse auch die neuen Gastgeber erreichen.

Trotz dieser wirklich sehr schief gelaufenen Reise würde ich immer noch sagen, dass das Reisen in Israel mit dem öffentlichen Personennahverkehr gut funktioniert. Das hat nach meiner Einschätzung ein paar Gründe: zum einen ist das Land klein, sodass sich selbst lange Busfahrten auf ein paar Stunden beschränken. Darüber hinaus gibt es z.B. um Tel Aviv herum auch extra Fahrbahnen, die Bussen und Fahrzeugen mit mehreren Insassen vorbehalten sind. Auch das hilft beim schnelleren Vorankommen. Dadurch, dass das Angebot auch angenommen wird, scheinen sich auch sehr gute Preise zu ergeben. Selten zahlen wir deutlich mehr als zehn Euro um von A nach B zu kommen. Für die Fahrt von Tel Aviv in den Süden haben wir zum Beispiel weniger als fünf Euro gezahlt. Der Preis unterscheidet sich je nach gewählter Strecke und je nach gewählter Busgesellschaft allerdings schon, jedoch haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, den Preis vor Abfahrt irgendwo einigermaßen verlässlich nachzuschlagen.

Manche Busse sind wirklich sehr liebevoll dekoriert. Wobei sich hier der Anlass nur erahnen lässt.

Grundsätzlich kann ich also jeden Reisenden in Israel nur ermutigen, sich auf das Abenteuer „Öffis“ einzulassen. Man sollte etwas Zeit einplanen, da grade die Busse nicht exakt fahren und die angegebenen Zeiten meist eher Richtwerte sind. Aber ankommen wird man in den meisten Fällen schon wie geplant. Beachtet werden muss natürlich, dass in der Zeit von Freitag Nachmittag bis Samstag Nachmittag in der Regel keine Öffentlichen fahren, da auch sie die Shabbat-Ruhe beachten. In Tel Aviv wiederum gilt das aber nicht. Aus eigener (leidvoller) Erfahrung kann ich auch sagen, dass der ersten Bus am Samstag Abend voll sein wird, da dann viele wieder zurück reisen. Wo auch immer dieses „zurück“ liegen mag.

Für das einfachere Bezahlen hat Israel vor längerer Zeit ein System namens „Rav Kav“ eingeführt. Die „Rav Kav“ ist eine kreditkartengroße Karte, auf der man Guthaben speichern kann und mit der der Bus oder die Bahn bezahlt werden kann. Das funktioniert in den meisten Bussen auch ganz gut – unser Pech war, dass natürlich just der erste Bus, der uns fahren sollte, die Rav Kav nicht akzeptierte. So sind wir die ersten Meter in Israel tatsächlich auf Kulanz des Fahrers gefahren. Es blieb dann aber auch der einzige Bus, der die Karte nicht akzeptierte. Darüber hinaus werden die Fahrkarten direkt auf der Karte gespeichert, sodass neben dem Zusammensuchen von Kleingeld auch das lästige Hantieren mit einem Zettel entfallen könnte, wenn es konsequent gemacht werden würde. Darüber hinaus kann man mit NFC und einer entsprechenden App die Karte auch über das Handy wieder mit Guthaben aufladen, die Fahrdaten auslesen und dergleichen mehr. Ich fand in der Zeit, in der meine Karte funktionierte diese im Zusammenspiel mit der App echt gut und praktisch.

Die App „Moovit“ hilft ungemein beim Bus- und Bahnfahren.

Eine weitere App, die beim Reisen mit den Öffentlichen unverzichtbar ist, ist „Moovit“. Sie erleichtert das Reisen im Land ungeheuer. Zwar kann man keine Tickets kaufen, wie man es beispielsweise von der Bahn-App kennt, dafür sucht die App unabhängig vom Betreiber die beste Verbindung raus und reagiert auch bei Verspätungen oder Ausfällen gut. Per GPS-Tracking wird dann die Reise verfolgt und es gibt rechtzeitig vor der ausgewählten Haltestelle einen Hinweis, das man aussteigen muss. Auch Umstiege werden durch die App gut angeleitet und die Laufwege, falls es welche gibt, gut angezeigt.

Ich fand das Reisen mit den Bussen in Israel jedenfalls recht einfach und angenehm, auch wenn es von Zeit zu Zeit zu einigen unvorhersehbaren Abenteuern führte.

Ein Intermezzo mit Ziegen

Nachdem wir tolle vier Wochen bei der ersten Farm in der Nähe Tel Avivs verbracht hatten, wurde es Zeit sich um eine neue Farm zu kümmern. Um möglichst viel vom Land sehen zu können, hatten wir uns bereits im Vorfeld unserer Auszeit dazu entschieden, in regelmäßigen Abständen die Farmen zu wechseln und mit jedem Wechsel eine andere Region kennen zu lernen. Israel ist geographisch und klimatisch gesehen äußerst vielfältig, gibt es doch die Negev Wüste mit trockenen, heißen Sommern und wenig Vegetation im Süden mit Grenzlinien nach Jordanien und Ägypten, aber eben auch eine gemäßigte Zone mit üppig grüner Vegetation von Tel Aviv bis zur Grenze zum Libanon im Norden. An der Grenze zum Libanon gibt es sogar ein Skigebiet am Berg Hermon, auf dem auch zur Zeit Schnee liegt – wenn auch nicht ausreichend, um Wintersport zu treiben.

In der Nähe von Tiberias, in Galiläa, so entschieden wir, sollte also die nächste Farm liegen. Galiläa dürfte jedem, der im Religionsunterricht ein wenig aufgepasst hat, ein Begriff sein: der Geburtsort Nazareth sowie der primäre Wirkungskreis Jesu, um mit Kana, dem See Genezareth und Tiberias nur wenige Beispiele zu nennen, liegt in Galiläa. Einen Exkurs zu biblisch-historischen Orten werden wir vielleicht in einem anderen Beitrag vornehmen.

Nun schrieben wir also eine Farm an, die in allererster Linie Ziegen hält und aus deren Milch Käse herstellt. „Was für eine interessante Farm!“, dachten wir und hofften darauf, viel über die Tiere, deren Haltung und vielleicht sogar über die Käseherstellung lernen zu können, und dies darüber hinaus in der grünen Hügellandschaft Galiläas. Auf unsere eine halbe DIN A4-Seite umfassende Anfrage, in der wir ein bisschen was über uns erzählten, kam die ausführliche Antwort „You can come“. Übliche Antworten anderer Farmen waren eher „You sound great, we would love to have you here“ oder „It’d be great to have you guys here to help us out“. Die darauf folgende Kommunikation kündigte sich somit als Vorbote dessen an, was uns dort noch erwarten sollte.

Die Hinfahrt gestaltete sich mehr als abenteuerlich: nachdem wir in der Behörde, die uns unser Volunteer-Visum ausgestellt hat, satte zwei Stunden statt der angedachten zehn Minuten verbracht hatten, kam der Bus nicht, den wir eigentlich nehmen wollten. Die dann gefundene Alternative blieb nach zwei Haltestellen mit einem Motorschaden liegen. Als wir gerade im Begriff waren, per App eine Alternative C zu ermitteln, sahen wir zufällig den ursprünglich gewählten Bus und konnten ihn heranwinken, um einzusteigen. Kaum auf der Autobahn gerieten wir in einen Stau, der seinesgleichen suchte: ganze zwei Stunden benötigten wir für etwa 5 km.

Blick über die Farm in Richtung von Kana und Nazareth, Galiläa

So gegen 16:00 Uhr stellten wir fest, dass wir es bis 18:00 Uhr, dem zeitlichen Limit unserer neuen Gastgeber, nur mehr knapp bis zu deren Farm schaffen würden. Final besiegelte jedoch der Busfahrer unser Schicksal an diesem Tag, denn er hielt recht unverhofft an und verkündete, dass er eine 12 Stunden Schicht hinter sich habe und wir nun auf einen neuen Busfahrer warten müssten. Kurzerhand entschieden wir umzuplanen und die Nacht in Haifa zu verbringen. Nach drei weiteren Bussen strandeten wir in einem gemütlichen Hostel mit gesprächigem Inhaber, das erst kürzlich eröffnet hatte: das Backpackers Nest Hostel. Hier konnten wir dann noch einmal Luft holen und genossen bei Pizza, Chips und Bier den unverhofften Abend.

In den nächsten Tagen sollte sich der Spruch bewahrheiten, dass wir auf das Schicksal hätten hören sollen, als es mit allen Mitteln versuchte uns davor zu bewahren, auf dieser Farm anzukommen…

rustikales Ambiente bestimmte die Farm – bei warmen Temperaturen wäre das bestimmt auch kein Problem gewesen

Der erste, optische Eindruck der Ziegenfarm war eindrucksvoll. Wir wussten, dass die Farm von den Eigentümern in jahrelanger Eigenarbeit erbaut worden war. Es gab mehrere kleine, gemauerte Gebäude, einen etwa 100 m langen Stall, der in mehrere kleine Sektionen unterteilt war sowie daran angehängt die Melkstation. Viele Türen, Gatter und Säulen sind mit ausgesuchten Mustern handbemalt worden, teilweise auch von Freiwilligen, wie wir von der Beschreibung der Farm auf der WWOOF-Webseite gelesen hatten. Sowieso hatten wir die meisten Informationen über unsere Gastgeber und ihre Arbeit von einem kurzen Beschreibungstext bei WWOOF – von ihnen selbst bekamen wir nur spärlich Informationen. Konversation beschränkte sich beim Frühstück oder Abendessen zumeist auf Aufgaben, die wir zu erledigen hatten. Nach dem ersten Tag dann auch darauf, was wir anders hätten machen sollen, weil…

Tägliches Säubern der Melkstation

Grundsätzlich ist damit auch schon alles zur Kommunikation unserer Gastgeber mit uns gesagt. Denn leider beschränkte es sich in den nächsten Tagen darauf, zugerufene kurze Arbeitsanweisungen zu befolgen und sich in der Regel danach erklären zu lassen, was wir falsch gemacht hätten. Dabei waren wir als Wissenschaftler natürlich wissenshungrig und wollten gerne mehr über die Farm, das Land, die Tiere und die Hintergründe unserer Tätigkeiten wissen. Die häufigste Antwort war dann aber leider zumeist etwas im Sinne des „You will learn“ oder „slowly, slowly“. Dabei waren die Fragen teilweise auch durchaus wichtig für unsere Arbeit und, so krass das klingen mag, entscheidend über Leben und Tod. Nicht von Menschen zwar, so doch aber von den frisch geborenen Ziegen und Schafen. Was wir uns aus den Informationen und den Beobachtungen mit der Zeit zusammenreimen konnten, war, dass zu früh geborene Tiere Schwierigkeiten mit dem selbstständigen Trinken haben, ebenso wie, dass sehr junge Ziegenmütter nicht wissen, dass sie ihren Babies das Trinken beibringen müssen. Was macht man also, wenn eine Ziege gebiert, wie geht man mit dem Neugeborenen um, wenn die Mutter es nicht trinken lässt, was geschieht mit Totgeburten, was, wenn zugefüttert werden muss, aber die Zicklein nicht trinken, was dann? „Slowly, slowly you will learn“. Nun, aber die Zicklein im Zweifel nicht mehr, weil es dann zu spät ist.

Der Versuch, ein Zicklein aus der Säuglingsstation zu seinem Glück zu zwingen und es zu füttern, musste in den meisten Fällen abgebrochen werden, weil wir nicht wussten, was wir noch probieren sollten

Sicherlich kann man bei 200 Tieren nicht zu jedem eine enge Beziehung aufbauen, für uns aber schien es unmenschlich, die Tiere einfach sterben zu lassen. Noch dazu, weil wir uns verantwortlich fühlten, da die Aufgabe des Fütterns an uns herangetragen worden war. Aber was, wenn wir die Tiere aufgrund von fehlenden Angaben nicht füttern können? Mehrmaliges Nachfragen blieb unbeantwortet. Für uns eine frustrierende und undankbare Arbeit, die uns nach einer Weile nur noch wütend werden ließ. Nichts konnten wir tun und so fühlten wir uns bei jedem Zicklein, das starb, ohnmächtig hilflos. Wohlgemerkt, am letzten Tag unserer kurzen Zeit auf der Farm wurde uns schließlich gezeigt, dass die Zicklein die Flasche in den Hals geschoben kriegen, um sich kontinuierlich an der Milch zu verschlucken, die ihnen aufgezwungen wird – Milch getrunken haben sie dadurch auch nicht wirklich. Was hingegen effektiver war, war die Mutterziegen dazu zu zwingen, ihre Babies trinken zu lassen, indem man sie an den Hörnern festhält und einen kräftigen Klaps auf die Flanke gibt, wenn sie Anstalten machen, die Kleinen wegzudrängen. Fazit: bei Tierhaltung darf man nicht zimperlich sein und Arbeit beginnt mit Tierfütterung früh morgens und endet mit Tierfütterung spät abends. Neun bis zehn Stunden Arbeiten waren für uns bei dieser Farm an der Tagesordnung.

Gesunde und muntere Zicklein

Und etwas anderes rückte parallel dazu in unsere Wahrnehmung, was uns dann auch eine Weile und leider nicht nur auf dieser Farm begleiten würde: „klassisches“ Rollendenken, ganz im Sinne der 1950’er Jahre. Fragen wurden in der Regel und hauptsächlich in Krischans Richtung beantwortet, egal, wer sie gestellt hatte. Franzi wurde bei körperlicher Arbeit immer außen vor gelassen, auch wenn sie sie durchaus hätte bewerkstelligen können. Hier gilt noch, dass der Mann die körperliche Arbeit erledigt und die Frau dafür zu sorgen hat, dass Haus und Hof in Ordnung sind und das Herdfeuer stets geschürt und genutzt wird. Na herzlichen Dank…

Die Hundewelpen waren ein echter Lichtblick, da sie gut genährt und immer verspielt waren

Neben dieser emotionalen Kälte führte auch die tatsächlich einsetzende physische Kälte, nachts lagen die Temperaturen um den Gefrierpunkt, zu einem sehr unangenehmen Klima, dass abend- und nächtliches Frieren normal werden ließ und Körper und Gedanken einfror. Da wir in dem uns zugewiesenen Zimmer wie auch in großen Bereichen der Farm kein fließendes warmes Wasser hatten, sprang nach einiger Zeit die Haut an den Händen auf und die stets kalten Füße wurden ein ewiger Begleiter. Nun würde man vermuten, dass man all das ja nach einer warmen Dusche am Ende des Tages hätte vergessen können. Allerdings war die Dusche am anderen Ende der Ställe und in einem sehr schlechten Zustand. Sie habe warmes Wasser, wurde uns versichert. Allerdings konnte man an der Armatur vorbei in die Landschaft gucken und beheizt war der Raum nicht. Ausprobiert haben wir sie somit nicht (hmmm… Ziegendung, ranzige Milch und Geburtsschnodder…). Zu weit der Weg, zu ungeschützt die Dusche, viel zu kalt die Umgebung und zu dreckig die gemauerte Duschkabine. Auch der im Zimmer stehende Ofen stellte sich nur bedingt als Hilfe heraus. Zwar konnte er in überschaubarem Maße Wärme spenden, doch ging das einher mit einer enormen Rauchentwicklung, die sich trotz (oder vielleicht wegen) des selbstgebauten Abzugs im Zimmer verteilte und schnell die Augen tränen ließ. Wirklich gewärmt wurde man nur, wenn man direkt vor dem Ofen saß. Wo wir wieder bei der eigenen Heizung wären… „Krischaaaaaan?“ 😀

Trotz der schönen Aussicht war die Toilette doch auch stets sehr zugig. Und wirklich hygienisch…?

Nach ein paar Tagen kam dann noch Unterstützung in Form eines jungen Amerikaners, der auch auf der Farm arbeiten wollte. Zu diesem Zeitpunkt stand aber für uns auch schon fest, dass wir die Farm nach einer Woche verlassen wollten. Unseren Gastgebern gaben wir zwei Tage Vorwarnung. Nicht weiter überraschend war es dann, dass unsere Gastgeberin nach unserer Ankündigung die Schuld in der schwierigen und fehlerhaften Kommunikation bei uns sah und nicht bei ihrem Mann, dessen Humor wir nur nicht verstünden und und und… Er für seinen Teil machte später Witze darüber, dass wir nicht bei dem „bösen, bösen alten Mann“ bleiben wollten. Konstruktiver Umgang mit Kritik geht definitiv anders.

Die offene Küche der Farm, mit Katzen die Superkräfte besitzen, denn sie können Küchenschränke und Dosen öffnen (kein Scherz)
Der Hexenkessel durfte nicht fehlen im Haus der… oh warte, das ist die Spüle
Salat, Reis und Aubergine mit ein wenig Ziegenkäse gab es jeden Tag

Zuguterletzt hatte das Ganze auch noch ein sehr unschönes Nachspiel, da Franzis Hände durch die ständige Kälte und das Hantieren mit kaltem Wasser derart in Mitleidenschaft gezogen worden waren, dass wir in Nazareth ins Krankenhaus gegangen sind. Es waren starke Hautschwellungen an einigen Gelenken und Fingergliedern aufgetreten, die es bald nahezu unmöglich machten die Finger zu beugen. Am ersten Abend, an dem die Hände wieder warm werden konnten, nämlich im Hostel in Nazareth, wurden die Hautschwellungen fast unerträglich. Waren es Frostbeulen? Eine allergische Reaktion? Oder sogar eine bakterielle Infektion?

„These hands have seen some work“ – Kommentar unserer neuen Gastgeberin der dritten Farm am Tag unserer Ankunft

Im Krankenhaus haben sich etwa fünf verschiedene Ärzte die Hände angesehen und unterschiedliche Theorien dazu entwickelt, was es sein könnte. Ein Blutbild gab keine weiteren Erkenntnisse. Entsprechend breit wurde dann mit Schmerzmittel, Antihistaminikum und Steroiden behandelt – die verschriebenen Antibiotika hat Franzi sich vorerst nicht in der Apotheke geholt und schlussendlich glücklicherweise auch nicht gebraucht. Mit einer reichhaltigen Pflege, Wärme und weniger Belastung nahmen die Schwellungen innerhalb von ein paar Tagen wieder ab. Der Nachhall der Eindrücke auf dieser Farm blieb uns jedoch um einiges länger noch erhalten.

Raubtierfütterung

Unterm Strich war es eine Lektion in vielen Dingen, die wir seit dem sehr viel genauer im Auge behalten: haben wir einen geregelten Tagesablauf? Wird von uns Arbeit über die bei WWOOF üblichen sechs Stunden hinaus erwartet? Können wir unsere Freizeit gestalten und auch die Wochenenden zum Reisen und Sightseeing nutzen? Werden wir ernst genommen, wird auf Augenhöhe kommuniziert und wird unsere Arbeit angemessen berücksichtigt? Nach einer Woche brachen wir also auf zu einer neuen Farm, die Gutes versprach. Und so viel sei vorweg genommen: die Anreise war völlig problemfrei.

Eure Franzi und euer Krischan

Akko oder Acre oder עכו

Die Stadt hat bestimmt genau so viele Namen, wie sie Geschichten hat. Im deutschen als „Akko“ bekannt, im englischen als „Acre“, im hebräischen als עכו oder aber sonst auch „Acho“ oder „St. Jean d’Acre“ oder im historischen als „Ptolmais“, blickt diese Stadt auf eine lange und nicht immer friedliche Zeit zurück. Ich werde mich im weiteren Text der deutschen Bezeichnung „Akko“ bedienen. Auf Wikipedia kann man nachlesen, dass erste Siedlungsspuren in das dritte Jahrtausend vor Christi datiert werden, aber keine Angst, eine ausufernde Geschichtsstunde werde ich nicht starten. Vielmehr gibt es ein paar Erlebnisse aus der Stadt – und Bilder.

Aus unserem Zimmer haben wir recht direkt auf eine Wand geschaut. Aber auch kein Wunder, da unsere Unterkunft wunderbar in der Altstadt gelegen war und so Teil des engen Gassen-Wirrwarrs war.

Wir hatten uns ein verregnetes Wochenende im Januar ausgesucht, um die Stadt zu besuchen. Das eh schon leicht triste Stadtbild wurde durch das Wetter nur noch unterstrichen und zeigte sich von einer eher unschönen Seite. Davon hebt sich die Altstadt in den Festungsmauern deutlich ab – hier ist es hell und angenehm. Wir hatten auch ein wenig Glück bei unserem Wochenendbesuch: zwar ist die Stadt grundsätzlich zu 70 % jüdisch, was bedeutet, dass in der gesamten Stadt in der Shabbat-Zeit von Freitag 15:00 bis Samstag 17:00 Uhr wirklich nichts offen hat und auch keine Busse fahren. Allerdings ist die Altstadt zu 95 % arabisch besiedelt und so waren am Wochenende die Märkte und Cafés doch auch geöffnet. Und neben all den kulturell und historisch bestimmt bedeutenden Dinge haben wir dann auch endlich unsere ersten Falafel gegessen. Sogar zweimal. Und es war toll! Den legendären Hummus Laden von Said konnten wir leider nicht besuchen, weil ausgerechnet der natürlich Shabbatruhe gehalten hat. In Akko haben wir zudem das erste Mal arabischen Kaffee, auch bekannt als Mokka, getrunken. Damit haben wir dann auch einen neuen Favoriten in unserer Kaffeespezialitätenliste auf den oberen Plätzen. Lecker, süß und würzig, lässt er sich auch hervorragend nachbrauen: denn für Mokka braucht man nicht viel mehr als einen Topf, Kaffeepulver, Kardamompulver und Zucker.

Nach dem wir wussten, wie man Mokka selber kocht, haben wir das sehr genossen. Die Quintessenz war: kein Mokka nach 16.00 Uhr, wenn wir nachts schlafen wollten.

Akko war besonders in der neueren Zeit immer wieder Dreh- und Angelpunkt gewaltsamer Auseinandersetzungen: die Stadt war Ausgangspunkt dreier Kreuzzüge (um 1100 n. Chr.) und wurde entsprechend stark befestigt – sowohl see- als auch landseitig. Darüber hinaus hat Napoleon Ende des 18. Jahrhunderts vergeblich versucht die Stadt einzunehmen („Wer Akko erobert, erobert die Welt“ soll er beim Rückzug gebrüllt haben). Zuguterletzt ging die Stadt als Hochburg des Widerstands gegen die britische Besatzung bis 1948 in die Geschichtsbücher ein: es war die letzte Festung der Briten und nach der Befreiung mehrerer jüdischer, gefangener Kämpfer aus eben dieser Festung war auch die Vormachtstellung der Britten im frisch deklarierten Israel gebrochen.

Die Befestigungsanlage ist eine der beeindruckendsten, die ich jeh gesehen habe…

Für uns, die wir die Geschichte in Museen bestaunt haben, hielt der Trip einige lehrreiche Lektionen über die Möglichkeiten, wie man ein modernes Museum gestalten kann, bereit.
Wir haben als erstes die Crusader Citadel besucht, die hochmodern die Geschichte der Stadt und der Zitadelle präsentiert. Die Anlage sieht von außen schon beeindruckend aus, ist aber im Inneren durch die verschiedenen Höhenstufen noch weitaus weitläufiger als man es erahnen kann.

Einer der Innenhöfe der Zitadelle gibt einen guten Eindruck, wie groß die Anlage ist. Zu sehen ist die Außenmauer des Rittersaals, in dem die Kreuzritter gegessen haben.

Nicht nur, dass das überirdische Gelände der Altstadt Akkos schon groß war. Es gibt darüber hinaus auch Tunnel, die von den Tempelrittern angelegt wurden. Sie wurden zum Teil zufällig wiederentdeckt und für Touristen zugänglich gemacht. Die Tunnel verbinden vermutlich die Zitadelle mit dem Hafen. Nur für den Fall, man muss mit wichtigen Dingen schnell ein Schiff erreichen. Ein Schelm, wer da an einen Schatz denkt. Tatsächlich wurden die Templer von der französischen Obrigkeit wegen Ketzerei angeklagt. Ein Schelm, wer dabei… Ihr wisst schon. Auch von der Gestaltung dieser „Ausstellung“ mittels eines handybasierten System in den Tunneln selber war ich ähnlich begeistert wie von der Ausstellung in der Zitadelle der Templer.

Die Tunnel der Templer sind in einem Abschnitt für die Öffentlichkeit zugänglich. Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: man kann in dem Gang nicht stehen, sondern muss sehr gebückt laufen.

Unsere Unterkunft lag mitten in der Altstadt und so waren wir in Nullkommanix sowohl auf dem Bazar als auch an der Hafenanlage, konnten uns vortrefflich in den kleinen, engen und verwinkelten Straßen verlaufen und hatten es nicht weit zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Auf der Dachterrasse konnte man einen herrlichen Blick sowohl über das Meer als auch über die Stadt schweifen lassen. Interessanterweise hatten wir auch ein eigenes Badezimmer, einmal über den Flur.

Eng und verwinkelte ziehen sich die Gassen zwischen den Häusern durch. Bei Sonnenschein dürfte der helle und grobe Stein ein tolles Licht werfen, bei unserem Besuch war er eher trist und nass.

Die Stadt war ein tolles Highlight, besonders wegen der sehr geballten Historie. Auch wenn wir mehr als einmal nasse Füße bekommen haben und der Hunger bei der Suche nach einem Essen manchmal die gute Laune ausgeblendet hat, kann ich es rückblickend empfehlen, Akko zu besuchen.

Die ersten Tage in Israel

Jetzt sind wir da. Mit Franzi habe ich ein paar Tage in Tel Aviv verbracht. Wir wollten uns akklimatisieren und uns ein wenig mit Israel vertraut machen. Dadurch war auf jeden Fall genug Zeit, festzustellen, dass es echt eine sehr große Umstellung ist – wirklich nichts lesen und verstehen zu können. Wir haben fünf total interessante Tage in Tel Aviv verbracht und dort die Stadt und den Strand angesehen, sind durch marode Straßen flaniert und haben Graffitis an den Wänden bewundert.

Bild der Hafenregion von Tel Aviv-Jaffa, Stadtteil Jaffa
Im Stadtteil Jaffa, der eigentlichen Altstadt von Tel Aviv-Jaffa, gehen die historischen MAuern bis direkt ans Wasser.

Tel Aviv ist die Wucht – es ist laut, es ist immer laut und anscheinend wird auch immer gebaut. Was ich in der ersten Nacht noch als angenehmen Großstadtlärm empfand wurde mit jeder weiteren Nacht einfach nur mehr zu Krach. Und dass die Katzen und Vögel das Dach neben unserem Schlafzimmerfenster als Ballraum, Boxring, Bordel und grundsätzlich guten Platz zum Abhängen nutzten, machte es nicht besser.

Buntes Graffiti in Tel Aviv-Jaffa
Eines der farbenreichen und nicht ganz unpolitischen Graffities im Stadtteil Florentine.

Die Stadt erfüllt, kurz gesagt, alle Ansprüche die man an eine moderne und überlastete Großstadt stellen kann. Darüber hinaus steckt hinter jeder Ecke ein neues Erlebnis. Wir hatten uns ein AirBnB im Stadtteil Florentine gesucht. Hip und trendig wurde der Stadtteil angekündigt mit viel Graffiti-Kunst und sehenswerten Ecken. Tatsächlich kann man die Wandkunst durchaus hervorheben, sie ist farbenfroh und vielschichtig. Am Freitag (was dem deutschen Samstag entspricht) hatten wir fast Mühe, noch einzukaufen, weil die Läden in dem um die Ecke gelegenen Levinsky Market nach unserem „Frühstück“ schon fast schlossen. Aber wir haben mit Händen und Füßen noch etwas Linsen in grün und in quitschgrün erstanden, sowie etwas Reis. Das sich die quitschgrünen Linsen hinterher als halbierte Erbsen und der Reis als Weizen herausstellte, hat uns nicht daran gehindert, ein leckeres Essen daraus zu kochen.

Denkmal für die Jaffa-Orange
Das Denkmal für die Jaffa-Orange in der Altstadt von Tel-Aviv-Jaffa.

Wir haben auch zwei Nachmittag in der Altstadt („Jaffa“) verbracht, aus der auch die namensgebende Orange stammt und haben die alten Gemäuer bestaunt, den Blick über den modernen Teil Israels und den kleinen Hafen. Von unserer Unterkunft war es etwa 20 Minuten entfernt und bot ein schönen Kontrast zum modernen und hektischen Teil. Es war schön in den schmalen aber hohen Gassen der Altstadt zu schlendern oder auf der „Wunschbrücke“ aufs Meer zu schauen. Mein Highlight war ein Galeriebesitzer und Maler, der in seiner eigenen Galerie in einem winzigen Gässchen saß und zur Musik aus dem Laptop mit der Trompete improvisiert hat – man muss halt wissen wie man auf sich aufmerksam macht. Und in dem Fall war es sogar richtig gut – musikalisch wie künstlerisch.

Fischer in der untergehenden Sonne
Trotz aller Moderne finden sich auch in Tel Aviv-Jaffa noch Fischer am Strand, die in der Abenddämmerung ihr Glück und Können versuchen. Im Hintergrund der alte Stadtteil Jaffa.

Von unserem Appartement war es zum Strand nur ein kurzer Weg. In unserem Fall war der Weg bei Regen aber gefühlt doppelt so weit wie sonst. Das aber nicht nur wir ein Problem mit dem Regen hatten, wurde an dem Wochenende bei sintflutartigen Regenfällen klar. Die Stadt wurde förmlich weggespült. Wir hatten dabei „nur“ das Problem, dass uns Wasser durch das Fenster reinlief. Als die Gefahr mithilfe eines Hausmeisters gebannt war, haben wir uns auf den Weg zum Strand gemacht und haben unterwegs dann das volle Ausmaß des Unwetters erahnen können: vollgelaufene Geschäfte, abgesoffene Baustellen und aus den Medien haben wir dann erfahren, dass es sogar Opfer gab.

Folgen der Überflutung in Tel Aviv: Dreckreste und überflutete Straßen
Nach den schweren Unwettern waren mehrere Straßenzüge völlig überschwemmt und auch die angrenzenden Geschäfte waren vollgelaufen.

Und wir haben sehr lecker gegessen. Meist vom Markt direkt in den Topf oder von einem der zahlreichen Straßenständen. Am letzten Abend sind wir sogar in ein total hippes Restaurant gegangen, dass nur vegane Sachen aus der Region anbietet und bei dem die Gerichte sehr aufeinander abgestimmt sind. Und ich muss gestehen, dass ich das Essen auch enorm lecker fand. Es gab Süßkartoffeln an einem Kokosnuss-Gewürz-Couscous, pikante Gemüse-Tacos und vorweg Brot mit gegrillten Tomaten und Dip. Auch das „Barfood“ in einer der zwei Brauereien, die wir besucht haben war gut. Umgehauen hat mich auch das Sabich eines völlig unscheinbar wirkenden Strassenstandes nordöstlich des Carmel-Markets. In wunderbar grummeliger Weise wurde ein günstiges Sabich mit allerlei Köstlichkeiten zubereitet. Oder das leckere Hummus von „Hummus Beit Lehem“.

Hummus mit allem
Im „Hummus Beit Lehem“ gab es ein sehr gutes Hummus, dem es an nichts fehlte. Der Wirt war ein junger, dynamischer Mann und sein Laden, wäre er bei „Lonely Planet“ nicht so gelobt worden, sonst bei mir in der Kategorie „abgeranzt“ gelandet. Aber es stellte sich raus, das solche Läden teilweise echt gut sind.

Am Dienstag sind wir dann zu unserer ersten Farm aufgebrochen.