Vadyanshuf – Das Tal der Eule

Wenn ich unsere Zeit auf der vierten Farm mit fünf Worten umschreiben müsste, dann wären das: Grün, Sprossen, Unkrautjäten, Witze und Arak.

Im Tal der Eule stehen an die zweihundert Olivenbäume, mehrere Obst- und Mandelbäume, ein großer Hühnerstall, ein Pferd, zwei Esel, ein Verkaufswagen, fünf Bienenstöcke, Lavendel- und Brombeerhecken sowie mehrere große und kleine Gebäude. Der Biohof von Dani und Tal liegt etwa zehn Kilometer von Rosh Pina entfernt, einer Stadt im Oberen Galiläa, und heißt Vadyanshuf. Während im Sommer die Bäume bewässert werden müssen, genügte der diesjährige Winterregen aus, um alles in sattem Grün erstrahlen zu lassen. Die Wiesenblumen blühten und die Bäume begannen auszutreiben. Im Sommer sieht es dort wohl trotz Bewässerung deutlich trockener aus. Am Ende der zweieinhalb Wochen, die wir in Vadyanshuf verbringen durften, blühte die gesamte Farm – ein Farbspektakel – und zugleich ließ es uns erahnen, wie reich die Farm im Sommer mit Obst gesegnet sein dürfte. Vadyanshuf war während unserer Zeit dort ein wahres Frühlingstal.

Mandelbaum in voller Blüte

Zu den Produkten der Farm zählten u.a. eingelegte Oliven sowie Olivenöl aus unterschiedlichen Olivensorten, Honig, Marmeladen, Za‘atar und Sprossen. Za‘atar ist eine typische Gewürzmischung der arabischen Küche und besteht überwiegend aus einer wilden Thymianart mit dem Namen Za‘atar. Kleiner Randinfo: Gerichte werden hier nach ihrer Hauptzutat benannt, wie bei ebenjenem Za’atar oder bei Hummus („Kichererbse“). Zum wilden Thymian dazu gemischt werden z.B. Salz und gerösteter Sesam, aber auch hier scheint wie beim Hummus jede Familie ihr eigenes Geheimrezept zu haben. Geschmacklich erinnert Za‘atar an Oregano und passt hervorragend zu Pizza, Nudeln oder Labaneh, einer frischkäseähnlichen, leicht säuerlichen Milchspezialität. Kürzlich hatten die Farmbesitzer eine Konzession erhalten, sodass sie Anfang März mit dem Verkauf ihrer Produkte vor Ort beginnen wollen. Bisher fuhren sie mit einem Verkaufsanhänger zu Märkten, Festivals oder Geschäften, um dort die Lebensmittel sowie kleine Gerichte zu verkaufen.

Eingelegte Oliven – eines der Produkte der Farm Vadyanshuf

Am ertragreichsten ist für die Farm derzeit der Verkauf von Sprossen, und damit wären wir beim zweiten Begriff, den ich mit Vadyanshuf verbinde. Die Samen und Kerne von z.B. Sonnenblumen, Kresse, Mungobohnen, Linsen, Radieschen oder Brokkoli, werden von einem Biohof in Italien bezogen und vor Ort innerhalb weniger Tage in hohen Regalen unter automatisierter Bewässerung und Belichtung zum Keimen gebracht. Sonntags und montags werden die Keimlinge bzw. Sprossen „geerntet“, gewaschen und in kompostierbare, durchsichtige Tüten aus Maisstärke verpackt. Montags und dienstags erfolgt dann der Transport zu den Verkaufsstellen, sogar bis ins 160 km entfernte Tel Aviv. Beim Ernten, Waschen und Verpacken der Sprossen haben Krischan und ich sonntags und montags zu je sechs Stunden fleißig unterstützt. An den anderen Tagen haben wir im Food Forest um die Jungbäume herum Unkraut entfernt und den Schnitt gesammelt. In der zweiten Woche haben wir einen Maschendrahtzaun von dichtem Unkraut befreit und den dort vor ein paar Jahren gepflanzten Brombeeren gleichzeitig Luft und Licht verschafft. Als das erledigt war, machten wir uns über wunderschön zwischen zahlreichen Feigenbäumen angelegte Lavendelhecken her und befreiten auch sie von Unkraut. Die Arbeit hat Spaß gemacht, konnten wir doch am Ende des Tages das Ergebnis sehen. Zudem schien während des Großteils unserer Zeit dort die Sonne und es wurde tagsüber so  warm, dass wir in T-Shirts arbeiteten und Sonnencreme brauchten.

Selbstgezogenen Sprossenmix gab es regelmäßig zum Essen dazu

Wir hatten, da wir das Auto von Tals Sohn Shem nutzen durften, vielseitige Freizeitmöglichkeiten. An unserem ersten freien Samstag fuhren wir Richtung Norden in die Golanhöhen, um eine der Schluchten, die der Fluss Banias über die Jahrtausende in die Landschaft gezogen hatte, zu besichtigen. Krischan war bei seiner Studienreise in der 12. Klasse am Banias gewesen und wünschte sich, die Gegend erneut zu erkunden. Bei Naturerkundungen bin ich natürlich immer sofort dabei! Wir entschieden uns aus Kosten- und Menschenmengengründen gegen den Besuch des Banias Nationalparks und suchten uns stattdessen bei Google Maps eine andere, scheinbar gut zugängliche Stelle des Flusses heraus. Wir parkten in Snir, einem Ort in der Nähe des Kibbutz Dan, und folgten einem Pfad in Richtung Banias. Die Schlucht, die sich uns darbot, war beeindruckend. Auf der anderen Seite des Tales sahen wir den Fluss Nahal, der sich über eine Kante etwa 50 m in die Tiefe stürzte. Zugänglich war dieser Wasserfall ohne Weiteres leider nicht, weshalb wir uns darauf konzentrierten die örtliche Sehenswürdigkeit, einen Panzer, zu finden. Einige Höhenmeter die Schlucht hinab trafen wir schließlich auf einen rauschenden, klaren Banias. Das Wasser hat sich über die Jahre hinweg durch Basalt gefressen und entsprechend steil und unzugänglich erschien die Schlucht zur anderen Seite. Nach einer Weile fanden wir auch den Panzer, der auf dem Kopf halb im Fluss liegend offenbar ein bei der Bevölkerung beliebtes Freizeitziel darstellt. Da Shabbat war, picknickte eine etwa 12-köpfige Familie auf der Unterseite des syrischen Panzers, der aus dem Sechs-Tage-Krieg im Jahre 1967 stammt. Der Sechs-Tage-Krieg stellt einen der bedeutendsten Höhepunkte des bis heute andauernden israelisch-arabischen Konfliktes dar. Nach einem Angriff Israels auf Luftstützpunkte Ägyptens, Jordaniens und Syriens nahm Israel in anschließenden Bodenangriffen den Gaza-Streifen (vormals Ägypten), die Golanhöhen (Syrien), Ost-Jerusalem sowie das Westjordanland (Jordanien) ein. Damals wurde der Grundstein für die noch heute andauernden Konflikte gelegt.

Syrischer Panzer aus dem Sechstagekrieg, am Ufer des Banias in der Nähe des Kibbutz Snir

Weitere Shabbat- und Feierabendausflüge führten uns in das Hula-Tal, das aufgrund großer Wasserflächen eine beliebte Zwischenstation für Zugvögel auf der Nord-Süd-Route darstellt. Wir konnten dort aus der Nähe und in der Ferne unterschiedlichste Tiere beobachten, wie z.B. Nutrias, Schildkröten, Katzenfische, Kraniche und zahlreiche Entenarten.

Ein ausgewachsenes Nutria mit Babies – Funfact: Nutrias haben ihre Zitzen auf dem Rücken, damit die Kleinen auch im Wasser schwimmend gesäugt werden können

An einem Nachmittag fuhren wir nach Safed, der höchstgelegenen Stadt Israels, die bekannt ist für ihre schöne Altstadt mit Pflastersteinstraßen und blau bemalten Fenstern und Türen sowie vielen Kunstgallerien. Leider war uns das Wetter, wie so oft bei unseren Städtetrips, nicht gut gesonnen – im wahrsten Sinne des Wortes – und es regnete in Strömen als wir ankamen, was die Temperaturen deutlich fallen ließ. Die Höhenlage des Ortes trug das Seine dazu bei. Unsere Erkundung konnten wir zwar trockenen Hauptes, aber nicht trockenen Fußes durchführen. Aber wir ließen uns die Laune nicht verderben, schauten uns die Altstadt an, genossen eine jemenitische Spezialität, die viel Käse enthielt, probierten eine Pizza, die am Ende erst mit salziger Gewürzmischung ihr „Potenzial“ entfalten konnte. Witzigerweise trafen wir zufällig Pessach in den Straßen Safeds, der mit uns auf der Ziegenfarm als Freiwilliger gearbeitet hatte. Er war nach wie vor auf der Ziegenfarm und er sagte, es sei nach wie vor harte und endlos viel Arbeit, aber er schien sich damit zu arrangieren.

Blick in eine der zahlreichen Gallerien Safeds
Die verwinkelten Straßen Safeds waren schön, aber abseits der einen touristischen Pflasterstraße hat die Stadt eher Ruinen und heruntergekommene Häuser zu bieten

An einem Sonntagabend nahm Shem, ehemals Musiker in den Straßen Tel Avivs, uns mit in eine Bar im Kibbutz Amir, wo er an einer Jam-Session teilnahm. Das war ein wunderbar interessanter und musikalischer Abend. Die Musiker auf der Bühne rotierten unerlässlich, sodass die Zusammensetzung und entsprechend der Stil etwa alle halbe Stunde wechselten – es wurde nicht langweilig. Das Klientel der Bar war zu 95 % der alternativen Szene zuzuordnen, denn Dreadlocks und Batikshirts waren dominant ebenso wie Joints, wobei letztere in Israel zum Feierabendritual zu gehören scheinen. Der süßliche Qualm zieht am Wochenende durch alle Straßen Tel Avivs und Haifas und wurde bisher in allen Farmen, die wir besuchten, wenn auch nicht übermäßig, konsumiert. Als Gründe werden oftmals die allzeit angespannte Lage Israels, mal der verpflichtende Militärdienst, die unklare Situation mit der Regierung oder all die anderen Kräfte, die rechts und links an Israel zerren, angeführt: die Gründe derer allerlei, man könnte meinen, es seien Ausreden. Aber belassen wir es dabei.

Mehr Israel in einem Bild geht fast gar nicht: Israelische Fahne hinter einem Olivenbaum

Damit wären wir aber auch beim vierten Begriff, den Witzen. Shem reißt Witze am laufenden Band, so auch auf der Rückfahrt von der Bar, als ich mich zu Beginn des Abends hatte breit schlagen lassen, später am Abend zurück zur Farm zu fahren. Dreißig Minuten ein angeheiterter Shem auf dem Beifahrersitz und ich kann endlich (liebe Grüße an Sani an dieser Stelle 😉) eine ganze Bandbreite an unangebrachten rassistischen und sexistischen Witzen erzählen (bis ich wieder in Deutschland bin, habe ich sie sicher alle wieder vergessen). Shems Art und Weise hat definitiv unseren Aufenthalt auf der Farm geprägt. Er hat uns auch das erste Mal mit Arak in Berührung gebracht, als wir abends mit Gitarre und zahlreichen Diskussions- und Gesprächsthemen im Gepäck vor einem Lagerfeuer vor unserem Wohncontainer saßen. Arak ist ein Anisschnaps, der sich geschmacklich und umdrehungstechnisch nicht von Ouzo oder Raki unterscheidet. Für Lakritzliebhaber wie uns also durchaus annehmbar.

Blick von der Terrasse unseres Wohncontainers in den Garten mit Outdoor-Duschwanne und Feuerstelle

Die etwas mehr als zwei Wochen bei Tal und Dani waren eine unvergessliche Zeit und ich hoffe, dass wir vor unserer geplanten Abreise Ende Juni noch einmal herkommen können.

Bei einer unserer Erkundungstouren um die Farm herum entdeckten wir ein wunderschönes Tal mit Eukalyptusbäumen, sahen Füchse und Wildschweine und verliefen uns gnadenlos

Für weitere Infos zur Farm: www.vadyanshuf.co.il

Das Reisen im Land

Nachdem wir nun die ein oder andere Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück gelegt haben, kann ich das ein oder andere zum israelischen Nah- und Fernverkehr sagen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man ankommt. Meistens sogar recht pünktlich. Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass es einen wirklich großen Unterschied macht, ob man Bus oder Bahn fährt. Vielmehr fand ich die Busfahrten angenehm, da sie den gleichen Komfort bieten wie Züge (ja, WLAN und USB-Ladeports) und trotzdem ähnlich lange aber zu einem günstigeren Preis fahren.

Während ich diese Zeilen schreibe, fährt der Bus in einen Stau, der sich in den nächsten zwei Stunden nicht auflösen würde – und der restliche Tag würde mich auch lehren, was es wirklich heisst, mit den „Öffis“ unterwegs zu sein. Nämlich, dass reisen auch in Zeiten von WLAN, USB-Ladeports, Apps und GPS auch immer noch spannend sein kann. Das war am 02. Februar – seitdem hat sich meine Ansicht über das israelische Transportwesen zwar nicht grundsätzlich geändert, aber: Aber es gibt ein paar neue Anekdoten, die ich erzählen kann. Aber ich habe viel mehr Gelassenheit gelernt. Aber irgendwie funktioniert es dann doch ganz gut.

Aber von vorne:

Der Tag, an dem ich den Beitrag ursprünglich im Bus schreiben wollte, war der Tag, an dem wir von der ersten Farm zur zweiten Farm fahren. Natürlich und standesgmäß mit dem Bus. Eine Zwischenstation machen wir in einer Stadt namens Bnei Brak, um unsere Volunteer-Visa zu bekommen. Das ist aber noch mal eine ganz andere Geschichte… Von Bnei Brak wollen wir dann in den Norden des Landes fahren, nach Galiläa. Dort müssen wir bis 18:00 Uhr sein, da die neuen Gastgeber einen Termin am Abend haben. Die Fahrt soll je nach Verbindung zwei bis zweieinhalb Stunden dauern. Da wir als Abfahrtszeit etwa 14:00 Uhr anpeilen, sollte das ja auch kein Problem sein.

Denkste!

An den Bushaltestellen steht man in der Regel nicht alleine.

Der Betrieb des favorisierten Bus‘ sei geändert, das zeigt auch die Reise-App „Moovit“ bereits an. Wir sind uns nicht sicher, ob es mit der Baustelle zu tun hat, die wir unweit der Haltestelle sehen und gehen eine Haltestelle weiter. Dort kommt eben der Bus aber trotzdem nicht und so suchen wir uns aus den Vorschlägen der App eine Alternative. Diese kommt zwar, aber die Reiselust ist auch nur von kurzer Dauer, denn nach zwei Haltestellen stottert der Motor und das Gefährt kommt zum Stehen. Da kaum einer Englisch spricht, gestikuliert sich Franzi durch die Situation – und während sie noch mit einer Gruppe orthodoxer Jugendlicher versucht zu klären, was der Stand der Dinge ist, sieht sie den Bus den wir ursprünglich nehmen wollten. Mit viel Gewinke kriegt sie ihn zum Stehen und so können wir die Fahrt zwar mit einiger Verspätung aber zumindest von der Strecke her wie geplant fortsetzen.

Nach dem morgendlichen Stau und den motorbedingten Schwierigkeiten dauert die Fahrt nun schon eine ganze Weile. An die Gastgeber wurde kommuniziert, dass es immer später wird. Noch jedoch haben wir das Gefühl, dass wir, wenn auch knapp, so doch aber noch vor der anvisierten Deadline ankommen werden. Noch vor der nächsten Möglichkeit zum Umsteigen fährt der Bus auf offener Strecke allerdings rechts ran. Ein Blick durch den Bus offenbart, dass wir die letzten Fahrgäste sind. Der Busfahrer erklärt im gebrochenen Englisch, dass er eine 12-Stunden-Schicht hatte und er jetzt keinen Meter mehr fahren werde. Es sei ein Ersatzfahrer angefordert aber er wisse auch nicht, wann der genau kommen werde… So jedenfalls schaffen wir es nicht bis 18:00 Uhr zum Ziel. Wir verständigen die Gastgeber und fahren von unserem Standort aus mit drei weiteren Bussen nach Haifa, wo wir die Nacht verbringen und am nächsten Tag ohne größere Hindernisse auch die neuen Gastgeber erreichen.

Trotz dieser wirklich sehr schief gelaufenen Reise würde ich immer noch sagen, dass das Reisen in Israel mit dem öffentlichen Personennahverkehr gut funktioniert. Das hat nach meiner Einschätzung ein paar Gründe: zum einen ist das Land klein, sodass sich selbst lange Busfahrten auf ein paar Stunden beschränken. Darüber hinaus gibt es z.B. um Tel Aviv herum auch extra Fahrbahnen, die Bussen und Fahrzeugen mit mehreren Insassen vorbehalten sind. Auch das hilft beim schnelleren Vorankommen. Dadurch, dass das Angebot auch angenommen wird, scheinen sich auch sehr gute Preise zu ergeben. Selten zahlen wir deutlich mehr als zehn Euro um von A nach B zu kommen. Für die Fahrt von Tel Aviv in den Süden haben wir zum Beispiel weniger als fünf Euro gezahlt. Der Preis unterscheidet sich je nach gewählter Strecke und je nach gewählter Busgesellschaft allerdings schon, jedoch haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, den Preis vor Abfahrt irgendwo einigermaßen verlässlich nachzuschlagen.

Manche Busse sind wirklich sehr liebevoll dekoriert. Wobei sich hier der Anlass nur erahnen lässt.

Grundsätzlich kann ich also jeden Reisenden in Israel nur ermutigen, sich auf das Abenteuer „Öffis“ einzulassen. Man sollte etwas Zeit einplanen, da grade die Busse nicht exakt fahren und die angegebenen Zeiten meist eher Richtwerte sind. Aber ankommen wird man in den meisten Fällen schon wie geplant. Beachtet werden muss natürlich, dass in der Zeit von Freitag Nachmittag bis Samstag Nachmittag in der Regel keine Öffentlichen fahren, da auch sie die Shabbat-Ruhe beachten. In Tel Aviv wiederum gilt das aber nicht. Aus eigener (leidvoller) Erfahrung kann ich auch sagen, dass der ersten Bus am Samstag Abend voll sein wird, da dann viele wieder zurück reisen. Wo auch immer dieses „zurück“ liegen mag.

Für das einfachere Bezahlen hat Israel vor längerer Zeit ein System namens „Rav Kav“ eingeführt. Die „Rav Kav“ ist eine kreditkartengroße Karte, auf der man Guthaben speichern kann und mit der der Bus oder die Bahn bezahlt werden kann. Das funktioniert in den meisten Bussen auch ganz gut – unser Pech war, dass natürlich just der erste Bus, der uns fahren sollte, die Rav Kav nicht akzeptierte. So sind wir die ersten Meter in Israel tatsächlich auf Kulanz des Fahrers gefahren. Es blieb dann aber auch der einzige Bus, der die Karte nicht akzeptierte. Darüber hinaus werden die Fahrkarten direkt auf der Karte gespeichert, sodass neben dem Zusammensuchen von Kleingeld auch das lästige Hantieren mit einem Zettel entfallen könnte, wenn es konsequent gemacht werden würde. Darüber hinaus kann man mit NFC und einer entsprechenden App die Karte auch über das Handy wieder mit Guthaben aufladen, die Fahrdaten auslesen und dergleichen mehr. Ich fand in der Zeit, in der meine Karte funktionierte diese im Zusammenspiel mit der App echt gut und praktisch.

Die App „Moovit“ hilft ungemein beim Bus- und Bahnfahren.

Eine weitere App, die beim Reisen mit den Öffentlichen unverzichtbar ist, ist „Moovit“. Sie erleichtert das Reisen im Land ungeheuer. Zwar kann man keine Tickets kaufen, wie man es beispielsweise von der Bahn-App kennt, dafür sucht die App unabhängig vom Betreiber die beste Verbindung raus und reagiert auch bei Verspätungen oder Ausfällen gut. Per GPS-Tracking wird dann die Reise verfolgt und es gibt rechtzeitig vor der ausgewählten Haltestelle einen Hinweis, das man aussteigen muss. Auch Umstiege werden durch die App gut angeleitet und die Laufwege, falls es welche gibt, gut angezeigt.

Ich fand das Reisen mit den Bussen in Israel jedenfalls recht einfach und angenehm, auch wenn es von Zeit zu Zeit zu einigen unvorhersehbaren Abenteuern führte.

Ein Intermezzo mit Ziegen

Nachdem wir tolle vier Wochen bei der ersten Farm in der Nähe Tel Avivs verbracht hatten, wurde es Zeit sich um eine neue Farm zu kümmern. Um möglichst viel vom Land sehen zu können, hatten wir uns bereits im Vorfeld unserer Auszeit dazu entschieden, in regelmäßigen Abständen die Farmen zu wechseln und mit jedem Wechsel eine andere Region kennen zu lernen. Israel ist geographisch und klimatisch gesehen äußerst vielfältig, gibt es doch die Negev Wüste mit trockenen, heißen Sommern und wenig Vegetation im Süden mit Grenzlinien nach Jordanien und Ägypten, aber eben auch eine gemäßigte Zone mit üppig grüner Vegetation von Tel Aviv bis zur Grenze zum Libanon im Norden. An der Grenze zum Libanon gibt es sogar ein Skigebiet am Berg Hermon, auf dem auch zur Zeit Schnee liegt – wenn auch nicht ausreichend, um Wintersport zu treiben.

In der Nähe von Tiberias, in Galiläa, so entschieden wir, sollte also die nächste Farm liegen. Galiläa dürfte jedem, der im Religionsunterricht ein wenig aufgepasst hat, ein Begriff sein: der Geburtsort Nazareth sowie der primäre Wirkungskreis Jesu, um mit Kana, dem See Genezareth und Tiberias nur wenige Beispiele zu nennen, liegt in Galiläa. Einen Exkurs zu biblisch-historischen Orten werden wir vielleicht in einem anderen Beitrag vornehmen.

Nun schrieben wir also eine Farm an, die in allererster Linie Ziegen hält und aus deren Milch Käse herstellt. „Was für eine interessante Farm!“, dachten wir und hofften darauf, viel über die Tiere, deren Haltung und vielleicht sogar über die Käseherstellung lernen zu können, und dies darüber hinaus in der grünen Hügellandschaft Galiläas. Auf unsere eine halbe DIN A4-Seite umfassende Anfrage, in der wir ein bisschen was über uns erzählten, kam die ausführliche Antwort „You can come“. Übliche Antworten anderer Farmen waren eher „You sound great, we would love to have you here“ oder „It’d be great to have you guys here to help us out“. Die darauf folgende Kommunikation kündigte sich somit als Vorbote dessen an, was uns dort noch erwarten sollte.

Die Hinfahrt gestaltete sich mehr als abenteuerlich: nachdem wir in der Behörde, die uns unser Volunteer-Visum ausgestellt hat, satte zwei Stunden statt der angedachten zehn Minuten verbracht hatten, kam der Bus nicht, den wir eigentlich nehmen wollten. Die dann gefundene Alternative blieb nach zwei Haltestellen mit einem Motorschaden liegen. Als wir gerade im Begriff waren, per App eine Alternative C zu ermitteln, sahen wir zufällig den ursprünglich gewählten Bus und konnten ihn heranwinken, um einzusteigen. Kaum auf der Autobahn gerieten wir in einen Stau, der seinesgleichen suchte: ganze zwei Stunden benötigten wir für etwa 5 km.

Blick über die Farm in Richtung von Kana und Nazareth, Galiläa

So gegen 16:00 Uhr stellten wir fest, dass wir es bis 18:00 Uhr, dem zeitlichen Limit unserer neuen Gastgeber, nur mehr knapp bis zu deren Farm schaffen würden. Final besiegelte jedoch der Busfahrer unser Schicksal an diesem Tag, denn er hielt recht unverhofft an und verkündete, dass er eine 12 Stunden Schicht hinter sich habe und wir nun auf einen neuen Busfahrer warten müssten. Kurzerhand entschieden wir umzuplanen und die Nacht in Haifa zu verbringen. Nach drei weiteren Bussen strandeten wir in einem gemütlichen Hostel mit gesprächigem Inhaber, das erst kürzlich eröffnet hatte: das Backpackers Nest Hostel. Hier konnten wir dann noch einmal Luft holen und genossen bei Pizza, Chips und Bier den unverhofften Abend.

In den nächsten Tagen sollte sich der Spruch bewahrheiten, dass wir auf das Schicksal hätten hören sollen, als es mit allen Mitteln versuchte uns davor zu bewahren, auf dieser Farm anzukommen…

rustikales Ambiente bestimmte die Farm – bei warmen Temperaturen wäre das bestimmt auch kein Problem gewesen

Der erste, optische Eindruck der Ziegenfarm war eindrucksvoll. Wir wussten, dass die Farm von den Eigentümern in jahrelanger Eigenarbeit erbaut worden war. Es gab mehrere kleine, gemauerte Gebäude, einen etwa 100 m langen Stall, der in mehrere kleine Sektionen unterteilt war sowie daran angehängt die Melkstation. Viele Türen, Gatter und Säulen sind mit ausgesuchten Mustern handbemalt worden, teilweise auch von Freiwilligen, wie wir von der Beschreibung der Farm auf der WWOOF-Webseite gelesen hatten. Sowieso hatten wir die meisten Informationen über unsere Gastgeber und ihre Arbeit von einem kurzen Beschreibungstext bei WWOOF – von ihnen selbst bekamen wir nur spärlich Informationen. Konversation beschränkte sich beim Frühstück oder Abendessen zumeist auf Aufgaben, die wir zu erledigen hatten. Nach dem ersten Tag dann auch darauf, was wir anders hätten machen sollen, weil…

Tägliches Säubern der Melkstation

Grundsätzlich ist damit auch schon alles zur Kommunikation unserer Gastgeber mit uns gesagt. Denn leider beschränkte es sich in den nächsten Tagen darauf, zugerufene kurze Arbeitsanweisungen zu befolgen und sich in der Regel danach erklären zu lassen, was wir falsch gemacht hätten. Dabei waren wir als Wissenschaftler natürlich wissenshungrig und wollten gerne mehr über die Farm, das Land, die Tiere und die Hintergründe unserer Tätigkeiten wissen. Die häufigste Antwort war dann aber leider zumeist etwas im Sinne des „You will learn“ oder „slowly, slowly“. Dabei waren die Fragen teilweise auch durchaus wichtig für unsere Arbeit und, so krass das klingen mag, entscheidend über Leben und Tod. Nicht von Menschen zwar, so doch aber von den frisch geborenen Ziegen und Schafen. Was wir uns aus den Informationen und den Beobachtungen mit der Zeit zusammenreimen konnten, war, dass zu früh geborene Tiere Schwierigkeiten mit dem selbstständigen Trinken haben, ebenso wie, dass sehr junge Ziegenmütter nicht wissen, dass sie ihren Babies das Trinken beibringen müssen. Was macht man also, wenn eine Ziege gebiert, wie geht man mit dem Neugeborenen um, wenn die Mutter es nicht trinken lässt, was geschieht mit Totgeburten, was, wenn zugefüttert werden muss, aber die Zicklein nicht trinken, was dann? „Slowly, slowly you will learn“. Nun, aber die Zicklein im Zweifel nicht mehr, weil es dann zu spät ist.

Der Versuch, ein Zicklein aus der Säuglingsstation zu seinem Glück zu zwingen und es zu füttern, musste in den meisten Fällen abgebrochen werden, weil wir nicht wussten, was wir noch probieren sollten

Sicherlich kann man bei 200 Tieren nicht zu jedem eine enge Beziehung aufbauen, für uns aber schien es unmenschlich, die Tiere einfach sterben zu lassen. Noch dazu, weil wir uns verantwortlich fühlten, da die Aufgabe des Fütterns an uns herangetragen worden war. Aber was, wenn wir die Tiere aufgrund von fehlenden Angaben nicht füttern können? Mehrmaliges Nachfragen blieb unbeantwortet. Für uns eine frustrierende und undankbare Arbeit, die uns nach einer Weile nur noch wütend werden ließ. Nichts konnten wir tun und so fühlten wir uns bei jedem Zicklein, das starb, ohnmächtig hilflos. Wohlgemerkt, am letzten Tag unserer kurzen Zeit auf der Farm wurde uns schließlich gezeigt, dass die Zicklein die Flasche in den Hals geschoben kriegen, um sich kontinuierlich an der Milch zu verschlucken, die ihnen aufgezwungen wird – Milch getrunken haben sie dadurch auch nicht wirklich. Was hingegen effektiver war, war die Mutterziegen dazu zu zwingen, ihre Babies trinken zu lassen, indem man sie an den Hörnern festhält und einen kräftigen Klaps auf die Flanke gibt, wenn sie Anstalten machen, die Kleinen wegzudrängen. Fazit: bei Tierhaltung darf man nicht zimperlich sein und Arbeit beginnt mit Tierfütterung früh morgens und endet mit Tierfütterung spät abends. Neun bis zehn Stunden Arbeiten waren für uns bei dieser Farm an der Tagesordnung.

Gesunde und muntere Zicklein

Und etwas anderes rückte parallel dazu in unsere Wahrnehmung, was uns dann auch eine Weile und leider nicht nur auf dieser Farm begleiten würde: „klassisches“ Rollendenken, ganz im Sinne der 1950’er Jahre. Fragen wurden in der Regel und hauptsächlich in Krischans Richtung beantwortet, egal, wer sie gestellt hatte. Franzi wurde bei körperlicher Arbeit immer außen vor gelassen, auch wenn sie sie durchaus hätte bewerkstelligen können. Hier gilt noch, dass der Mann die körperliche Arbeit erledigt und die Frau dafür zu sorgen hat, dass Haus und Hof in Ordnung sind und das Herdfeuer stets geschürt und genutzt wird. Na herzlichen Dank…

Die Hundewelpen waren ein echter Lichtblick, da sie gut genährt und immer verspielt waren

Neben dieser emotionalen Kälte führte auch die tatsächlich einsetzende physische Kälte, nachts lagen die Temperaturen um den Gefrierpunkt, zu einem sehr unangenehmen Klima, dass abend- und nächtliches Frieren normal werden ließ und Körper und Gedanken einfror. Da wir in dem uns zugewiesenen Zimmer wie auch in großen Bereichen der Farm kein fließendes warmes Wasser hatten, sprang nach einiger Zeit die Haut an den Händen auf und die stets kalten Füße wurden ein ewiger Begleiter. Nun würde man vermuten, dass man all das ja nach einer warmen Dusche am Ende des Tages hätte vergessen können. Allerdings war die Dusche am anderen Ende der Ställe und in einem sehr schlechten Zustand. Sie habe warmes Wasser, wurde uns versichert. Allerdings konnte man an der Armatur vorbei in die Landschaft gucken und beheizt war der Raum nicht. Ausprobiert haben wir sie somit nicht (hmmm… Ziegendung, ranzige Milch und Geburtsschnodder…). Zu weit der Weg, zu ungeschützt die Dusche, viel zu kalt die Umgebung und zu dreckig die gemauerte Duschkabine. Auch der im Zimmer stehende Ofen stellte sich nur bedingt als Hilfe heraus. Zwar konnte er in überschaubarem Maße Wärme spenden, doch ging das einher mit einer enormen Rauchentwicklung, die sich trotz (oder vielleicht wegen) des selbstgebauten Abzugs im Zimmer verteilte und schnell die Augen tränen ließ. Wirklich gewärmt wurde man nur, wenn man direkt vor dem Ofen saß. Wo wir wieder bei der eigenen Heizung wären… „Krischaaaaaan?“ 😀

Trotz der schönen Aussicht war die Toilette doch auch stets sehr zugig. Und wirklich hygienisch…?

Nach ein paar Tagen kam dann noch Unterstützung in Form eines jungen Amerikaners, der auch auf der Farm arbeiten wollte. Zu diesem Zeitpunkt stand aber für uns auch schon fest, dass wir die Farm nach einer Woche verlassen wollten. Unseren Gastgebern gaben wir zwei Tage Vorwarnung. Nicht weiter überraschend war es dann, dass unsere Gastgeberin nach unserer Ankündigung die Schuld in der schwierigen und fehlerhaften Kommunikation bei uns sah und nicht bei ihrem Mann, dessen Humor wir nur nicht verstünden und und und… Er für seinen Teil machte später Witze darüber, dass wir nicht bei dem „bösen, bösen alten Mann“ bleiben wollten. Konstruktiver Umgang mit Kritik geht definitiv anders.

Die offene Küche der Farm, mit Katzen die Superkräfte besitzen, denn sie können Küchenschränke und Dosen öffnen (kein Scherz)
Der Hexenkessel durfte nicht fehlen im Haus der… oh warte, das ist die Spüle
Salat, Reis und Aubergine mit ein wenig Ziegenkäse gab es jeden Tag

Zuguterletzt hatte das Ganze auch noch ein sehr unschönes Nachspiel, da Franzis Hände durch die ständige Kälte und das Hantieren mit kaltem Wasser derart in Mitleidenschaft gezogen worden waren, dass wir in Nazareth ins Krankenhaus gegangen sind. Es waren starke Hautschwellungen an einigen Gelenken und Fingergliedern aufgetreten, die es bald nahezu unmöglich machten die Finger zu beugen. Am ersten Abend, an dem die Hände wieder warm werden konnten, nämlich im Hostel in Nazareth, wurden die Hautschwellungen fast unerträglich. Waren es Frostbeulen? Eine allergische Reaktion? Oder sogar eine bakterielle Infektion?

„These hands have seen some work“ – Kommentar unserer neuen Gastgeberin der dritten Farm am Tag unserer Ankunft

Im Krankenhaus haben sich etwa fünf verschiedene Ärzte die Hände angesehen und unterschiedliche Theorien dazu entwickelt, was es sein könnte. Ein Blutbild gab keine weiteren Erkenntnisse. Entsprechend breit wurde dann mit Schmerzmittel, Antihistaminikum und Steroiden behandelt – die verschriebenen Antibiotika hat Franzi sich vorerst nicht in der Apotheke geholt und schlussendlich glücklicherweise auch nicht gebraucht. Mit einer reichhaltigen Pflege, Wärme und weniger Belastung nahmen die Schwellungen innerhalb von ein paar Tagen wieder ab. Der Nachhall der Eindrücke auf dieser Farm blieb uns jedoch um einiges länger noch erhalten.

Raubtierfütterung

Unterm Strich war es eine Lektion in vielen Dingen, die wir seit dem sehr viel genauer im Auge behalten: haben wir einen geregelten Tagesablauf? Wird von uns Arbeit über die bei WWOOF üblichen sechs Stunden hinaus erwartet? Können wir unsere Freizeit gestalten und auch die Wochenenden zum Reisen und Sightseeing nutzen? Werden wir ernst genommen, wird auf Augenhöhe kommuniziert und wird unsere Arbeit angemessen berücksichtigt? Nach einer Woche brachen wir also auf zu einer neuen Farm, die Gutes versprach. Und so viel sei vorweg genommen: die Anreise war völlig problemfrei.

Eure Franzi und euer Krischan

Only 18 days left! (and still so much to organize)

Beginning of January we will be sitting on a plane to Tel Aviv to WWOOF for six months on different farms – and neither do I feel well-prepared nor have I had a chance to even think about what to expect. Priority number one in the past couple of months has been to finalize my PhD thesis.

However, step-by-step, Krischan and I managed to organize the most important bits, such as travel insurance, passports, Visa application forms – and booking a flight. One of our apartments is packed up and the other one is keeping us on the go. Some furniture still needs to be sold, daily items to be packed, walls to be painted – and Christmas with families spread over almost the entire length of Germany still needs to be celebrated. Does sound like a tight schedule? It sure is!

Our list of important documents for the visa application is finally completely checked off (credits to Krischan for being well-organized)