Reiseblog Chile

Camping am südlichen Zipfel des amerikanischen Kontinents

Cabo Froward ist das Ende der (südamerikanischen) Welt. Und doch hat man in der Nähe des Leuchtturms (faro) San Isidro Handyempfang und 4G. Abenteuer und Wildnis? Eher nicht.

Um ohne eigenes Auto zum Faro San Isidro zu kommen, muss man den öffentlichen Bus ab Punta Arenas nach San Juan nehmen (ab Busstation buses rurales) oder man hitchiked. Letzteres ist in den abgelegenen Regionen Patagoniens nicht unüblich. Ich entscheide mich für den Bus nach San Juan. Für 1100 CLP komme ich bis ans südliche Ende des Zipfels von San Juan, weiter fährt der Bus nicht. Ab dort wären es 12 km bis zum Leuchtturm. Ich entscheide mich dazu, ein paar Kilometer in diese Richtung zu gehen. Ich möchte ein Gefühl für die Entfernung bekommen und will zudem beim nächsten Fluss, der auf meiner Karte eingezeichnet ist, Wasser entnehmen.

Die Landschaft ist geprägt von dichtem Wald, Kiesstränden, klarem Wasser und einer breiten Schotterstraße. Auf der anderen Seite der Magellanstraße zeichnen sich dunkel bis kaum erkennbar Hügellandschaften ab. Bis San Juan gibt es immer wieder kleine Ansammlungen einfachster Behausungen. Dahinter nur noch Wald zur rechten und Strand und Meer zur linken Seite. Später erfahre ich, dass in der Gegend Gauchos (Cowboys) leben und Pferde und Kühe halten. Auch sehe ich immer wieder Cabañas, einfach Hütten, die man anmieten kann bzw. die Vereinen oder Organisationen gehören, wie z.B. die Staatsbank (Banco Estado) hat hier so etwas wie ein Feriendorf. Empfang habe ich hier unten, außer am Leuchtturm, nicht. Entsprechend ist es gut, dass ich den inReach Mini dabei habe und Krischan immer mal Check-In Nachrichten schicken kann. Die GPS-Daten sind da immer automatisch mit dabei.

Je weiter ich nach Süden gehe, desto deutlicher sehe ich die leicht schneebedeckten Gipfel auf der anderen Seite. Und auch auf dieser Seite sehe ich den Mont Tarn, der mit knapp 800 m hoch genug für Schnee ist. Kurze Zeit später geht mein Plan auf und ich kann im Río San Pedro mit meiner Filterflasche Wasser auffüllen. Ich beschließe noch etwa 1 km weiter Richtung Süden zu gehen und dann umzudrehen, denn bis zum Camping Natybos in San Juan sind es inzwischen knapp 9 km.

Zum Schluss zieht sich der Weg etwas, aber gegen 15 Uhr komme ich endlich am Campingplatz an. Der Betreiber, Manuel, ist super nett. Er bietet mir später am Nachmittag ein Bier an und er erzählt mir dabei von der Gegend, seiner Reise in die Antarktis, dem Wetter und den Chilenen. Er wohnt auch im Winter in seiner Cabaña, wenn es hier empfindliche -30 Grad und einen Meter Schnee haben kann. Man merkt ihm an, dass er sich dort wohl fühlt und dass ihm die Arbeit mit den Gästen Spaß macht. Täglich Holz hacken steht für ihn auf dem Programm, denn es ist – auch im Sommer – notwendig zu heizen. Zwar sind es, wie jetzt im Sommer, bei Sonne auch mal 17 Grad, aber nachts geht es bis runter an den Gefrierpunkt. Meine Campingausstattung erweist sich als völlig ausreichend für diese Temperaturen – ich schlafe sehr gut. Fließend Wasser gibt es nur vom Río San Juan, der direkt am Campingplatz vorbeifließt. Das Wasser ist trotz Aufbereitung mit Chlor nicht trinkbar und leicht braun. Manuel erklärt mir, dass es aufgrund der Viehhaltung nicht trinkbar ist. Spätestens die Farbe hätte mich davon abgehalten. Meine Filterflasche hätte hier gute Dienste geleistet, aber Manuel stellt mir Trinkwasserkanister bereit.

Das Wetter hier unten ist ein Phänomen für sich. Während es in Punta Arenas recht beständig bleibt, es liegt nur 60 km weiter nördlich, sollte man die Wetterumschwünge am Cabo Froward nicht unterschätzen. „Unbeständig“ bekommt hier eine ganz andere Dimension. Es wechselt im 5- bis 10-Minuten-Takt zwischen Regen und Sonne, den ganzen Tag über. Es ist immer wieder sehr windig, teilweise böig. Nur am nächsten Tag kommt noch Schnee dazu.

Am zweiten Tag in San Juan versuche ich auf der Straße eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Nach etwa 25 Minuten kommt ein Auto vorbei, hält an und die Fahrerin, Marcía, ist so freundlich mich zum Ende der Straße mitzunehmen, um von dort zum Faro San Isidro zu gehen. Schon im Auto sitzt ein polnisches Pärchen, dass sie ebenfalls mitgenommen hat. Mit Marcía habe ich wirklich außerordentliches Glück, denn wir verbringen den gesamten Tag zusammen. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. Sie ist Wirtschaftsprofessorin an einer Universität in Santiago und hat gerade Urlaub.

Am Ende der Straße, etwa 4 km vor dem Leuchtturm, steigen wir aus dem Auto aus und beginnen gemeinsam unsere Wanderung. Das Gehen am Strand ist nicht zu unterschätzen, die Schritte verlaufen sich sprichwörtlich im Sand. Es kommt ein böiger, teilweise kräftiger Wind hinzu – da schützt auch der direkt am Wasser endende Wald nicht. Zuguterletzt fängt es, diesmal leider sehr beständig, kräftig an zu Regnen, gemischt mit Schneeflocken, und wir vier sind innerhalb von zwanzig Minuten durchnässt. Meine Regenjacke hat den Härtetest zum Glück bestanden, denn ich musste für diese Reise eine neue anschaffen. Die alte war schon bei den Alpenwanderungen letztes Jahr nicht mehr dicht. Es kommen uns ein paar Leute entgegen, die ihre Wanderung aufgrund des Wetters abbrechen. Wir besprechen uns kurz und entscheiden weiterzugehen. Das Wetter bestätigt uns und kurze Zeit später lässt der Regen nach und unsere Sachen können, trotz weiteren Regens, aufgrund des starken Windes langsam trocknen. Als die Sonne rauskommt, jubeln wir laut und genießen den Blick auf die Magellanstraße. Kurze Zeit später werden wir sogar mit dem Anblick einer Delfinschule belohnt. Das polnische Pärchen schlussfolgert: jetzt haben wir alles gesehen, jetzt kann man zufrieden sein.

Die Landschaft ist unbeschreiblich schön. Ich möchte es in Gedanken einfangen und auf ewig behalten. Die Fotos kommen nur im Ansatz daran, die Stimmung, das Licht, den Ausblick einzufangen. Nach etwa zwei Stunden erreichen wir den Faro San Isidro. Auf der Halbinsel, auf der er steht, bläst ein kontinuierlicher starker Wind.

Wir essen und trinken etwas und dann verabschiedet sich das polnische Pärchen von uns. Sie wollen in der Nähe ihr Camp aufschlagen. Sie fragen nochmal etwas unsicher, ob das Wetter immer so unbeständig und windig ist, und ich bestätige. Ich gebe ihnen den Tipp, nah am Wald das Zelt aufzubauen und sich überwiegend unter den Bäumen aufzuhalten, da deren Blattwerk so dicht ist, dass man darunter trocken bleibt. Danke hier an Manuel, der mir einen entsprechenden Platz auf dem Campingplatz zugewiesen hatte. Nur davon, dass die Bäume ohne Ende harzen, wird mir mein Zelt noch in 15 Jahren erzählen.

Marcía und ich treten den Rückweg an und kommen einigermaßen trockenen Fußes am Auto an. Sie setzt mich eine halbe Stunde später am Campingplatz ab, schenkt mir eine Orange und wir verabschieden uns. Ich bereue etwas, sie nicht nach ihren Kontakdaten gefragt zu haben. Aber vielleicht finde ich sie über die Webseite der Universität.

Am Campingplatz angekommen, treffe ich Manuel, er schenkt mir Pan de Pascua – köstlich! Ich berichte ihm von meinem Ausflug. Er hat Sorge, dass ich in der Nacht frieren werde, denn es ist spürbar kälter geworden. Die Berge, die am Vortag nur wenig Schnee hatten, hatten heute einige Hundert Meter weiter unterhalb des Gipfels auch Schnee. Das war mir schon bei der Wanderung aufgefallen. Ich bin unbesorgt, denn mein Schlafsack ist bis -10 Grad ausgelegt. Und ich sollte recht behalten, auch die zweite Nacht war gut. Auch wenn die Nase, die zwangsläufig aus dem Schlafsack guckt, schon sehr kalt wurde. Meine elektronischen Geräte, wie Handy, Kameraakku, Powerbank und inReach nehme ich vorsichtshalber wieder mit in den Schlafsack, damit sie sich nicht entladen.

Tipps für den Besuch des Faro San Isidro (mit Camping):

  • Ausreichend Wasser für die Zeit des Besuchs, es gibt keine nennenswerten Wasserquellen unterwegs.
  • Wetterfeste Kleidung und Ersatzkleidung, die für Temperaturen um den Gefrierpunkt geeignet sind
  • Ggf. Satelliten-GPS-Notrufgerät
  • Durch das Gehen auf Sand sollte man für die 4 km bis zum Leuchtturm 2 Stunden einplanen, entsprechend früh sollte man aufbrechen. Besonders wenn man ab Punta Arenas hitchhiked, und abends dorthin zurückkehren möchte, sollte man spätestens um 8 Uhr aufbrechen.

Exkurs: Wanderung bis Cabo Froward

Es gibt einen Wanderweg, der noch weiter südlich führt bis zum eigentlichen Cabo Froward. Aus meiner persönlichen Sicht ist diese mehrtägige Wanderung nur etwas für hartgesottene, sehr geübte Wanderer, die sich nicht scheuen eiskalte Flüsse zu durchqueren. Die Gezeiten müssen dabei zudem beachtet werden. In meinem Wanderführer (von Rother) werden teilweise Tagesetappen von 20 km vorgeschlagen. Das ist aus meiner Sicht wirklich nur für sehr geübte Wanderer machbar, denn das Gehen auf den Strandabschnitten kostet sehr viel Kraft und Zeit.

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

1 Kommentar

  1. Papa 11. Januar 2024

    Liebe Franziska,

    Schön, dass Du Dir so viel Mühe machst, die Erlebnisse zu beschreiben. Auch die Beschreibung der Personen reichert den Text wirklich an.
    In meiner Vorstellung der Magellanstraße war dieser Ort fast lebensfeindlich, nachdem ich Maggelan’s Berichte kannte.
    Er hat mit seinen 3 Schiffen etliche Monate damit verbracht, ab diesem Südpunkt fast jede Bucht abzufahren, um das Wasser auf Veränderung (Pazifik vs. Atlantik) zu prüfen.
    Als sie endlich sicher wussten, Pazifik zu befahren, haben sich 2 seiner Kapitäne verabschiedet, sind nach Spanien zurück.
    Er musste weiter, denn er hatte der spanischen Krone versprochen, Kolonien zu finden, die nicht den Portugiesen zufallen würden.
    Das hat er nicht geschafft, trotz weiterer Jahre Investition.
    Die Magellanstraße trägt seinen Namen, obwohl sie wohl schon einen hatte.
    Aber der Name zeugt von einer unfassbaren Leistung.
    Es ist toll, dass Du Dir dieses Reiseziel gewählt hast, bin dankbar für den Bericht!
    Tolle Fotos!

    Weiter möglichst gute Begegnungen auf Deiner Reise,
    Viel Genuss,
    Papa

Schreibe einen Kommentar zu Papa Antwort abbrechen

© 2025 Reiseblog Chile

Thema von Anders Norén